Die Grenzregion war ein trostloser
Fleck. Die Grenzanlage wurde seit Jahren nicht mehr genutzt, weil man irgendwo
eine andere gebaut hatte und so verfiel alles. Die großen Fenster der
Zollanlage waren eingeschlagen. Schranken und Verkehrszeichen rosteten vor sich
hin und so langsam erobert sich die Natur bzw. das Unkraut die Anlage zurück,
die aber eben für Radfahrer noch offen war. Zwei Autos mit Vogtländer
Kennzeichen müssen aus Ungarn kommend umkehren: Für Autos gibt’s hier kein
durchkommen mehr. Der Fahrer ruft dem anderen Auto diese Feststellung in
perfektem sächsisch zu. Wenn die wüssten… Jetzt waren wir schon in Ungarn
und mussten noch immer keinen Ausweis oder gar den Reisepass vorzeigen, ja noch
nicht mal einen Grenzbeamten haben wir irgendwo gesehen. Die EU und das
Schengen-Abkommen machen Europa grenzenlos, im wahrsten Sinne des Wortes. Für mich begann nun ein Abschnitt
in Europa den ich noch nie zuvor gesehen oder besucht hatte, Konrad erging es
genauso. Umso gespannter waren wir. Doch Ungarn zeigte sich in den
Grenzgebieten von seiner trostlosesten Seite. Als hätte man die Region
vergessen, als seien die Bewohner ausgestorben oder über die Grenze mit ihren
Fahrrädern davongefahren. Breite Straßen aber keine Autos, verfallene
Bahnhofsanlagen, leere Häuser am Straßenrand. Im ersten Ort hinter der Grenze,
wo wir ja unser Lager aufschlagen wollten, war es nicht anders. Keine
Menschenseele konnte man finden. Vor einer Kneipe saß dann endlich ein
menschliches Wesen, was uns beobachtete. Wir hatten ein echt mulmiges Gefühl.
Doch der Mann war sehr freundlich und er versuchte sogar ein paar Worte in
Deutsch zusagen, nachdem wir ihn nach dem Weg zum Zeltplatz fragten. Der
Zeltplatz war ein Stück außerhalb: inmitten der Natur, zwischen Nebenflüssen
der Donau und Kanälen, Wäldchen und Wiesen war ein Haus an dem „Camping“ stand.
Aber wir konnten keine Zelte entdecken. Außer uns war erstmal niemand da, nur
ein junges Mädchen, was hier scheinbar die Geschäfte leitet. Da erst Mittag war bauten wir das
Zelt nicht auf, sondern setzten und unter eine Art riesigen Pavillon und machten
erstmal nichts. Der Himmel hatte sich zugezogen und es fing leicht an zu
regnen. Den ganzen Nachmittag und bis zum Abend nutzen wir zur Regeneration.
Wir lasen, wir aßen Kekse, wir wuschen Sachen und versuchten sie wieder zu
trocknen, was aber wegen des leichten Regens nicht funktionieren konnte, ich
spazierte ein wenig durch ein Birkenwäldchen. Zum Glück hatte der Zeltplatz
diese große überdachte Dachterrasse, wo es trocken war. Später kamen ein paar
Kids von irgendwoher an und spielten am Kicker.
Den ganzen Tag dudelte aus den Lautsprechern ein und dasselbe Alphaville-Album leise vor sich hin. Uns gefiel es. Gegen Abend wurde es unter dem
Dach langsam voller. Anscheinend war das hier so eine Art Dorfdisko, wir
verzogen uns in die hinterste Ecke des Zeltplatzes, nutzten die Regenpause,
bauten unser Zelt auf und kochten Abendbrot. Wie IMMER: Nudeln. Am Ende des Tages, ist wie am
Morgen auch, eine klare Routine zu erkennen: der Schlafsack, der
Kopfkissen-Pullover und Wertsachen kommen ins Zelt; Kochzeug,
Lebensmittel und alles was Gerüche
entwickeln könnte (Schuhe) liegen unterm kleinem Vorzelt,
den Rest zurück in die Gepäckträgertaschen, welche wir wieder ans Fahrrad klicken
und dann kommt zum Abschluss eine Fahrradplane als Regenschutz drüber. Es gibt
einem doch ein gutes Gefühl, wenn es regnet und man weiß, dass es seinem
Fahrrad gut geht und heute Nacht nicht rosten kann. Zeitig gehen wir dann irgendwann
vor lauter Langerweile schlafen, es wird ja aber auch Ende August schon schnell
dunkel. Ein paar Meter weiter haben slowakische Kanuten ihr Lager aufgeschlagen
und machen ein Feuer, welche einen schönes, leichtes Flimmern auf die Zeltwand wirft. Tatsächlich
fing es wieder leicht an zu regnen. Wir bemerkten ein kleines Leck im Zelt und
so tropfte ein wenig Wasser herein. Das störte aber echt nicht weiter, zumal:
Es sollte nie wieder auf uns regnen bis zum Ziel! Eine kurze und leichte Etappe war
das heute. Die Landschaft wird immer flacher. Der Rückenwind half uns heute
kräftig mit und verschaffte uns eine recht hohe Durchschnittsgeschwindigkeit
für Radreiseverhältnisse. Aber das zählte alles nichts: Wichtig war, dass wir
uns wieder vertragen und verziehen hatten und gemeinsam und glücklich
weiterfuhren.
Heute überlasse ich wieder Konrads
Tagebuch das Wort oder besser die Schrift: „Raika –
Komárom 24.
August 2008 10.Tag Es ist relativ trocken im Zelt,
sehr viel trockner als vor 3 Jahren an regenfreien Tagen. Zwar sind viele
unserer Klamotten nass bis feucht, doch mit: „Dein Körper ist eine 37° heiße
Heizung, da trocknet das schnell.“ Überzeugt mich Stefan die Sachen trotzdem
anzuziehen. Tatsächlich sind sie dann schnell trocken, auch weil kaum eine
Wolke am Himmel steht. Vorbei an urigen ungarischen
Dörfern, mit halbverfallenen Häusern, aber auch edlen Villen aller Baustile,
fahren wir zurück auf die Route der Radkarte. Es ist
Sonntag und wirklich voll ist der Backpacker auch nicht mehr. (eine weitere Wortneuschöpfung: Backpacker
ist die Gepäckträgertasche die oben auf den seitlichen Taschen aufliegt und so
leicht zu öffnen ist. Da ist unser Essen drin. Ein „nicht wirklich voller“
Backpacker ist ein Vorzeichen für einen Nahungsmittelengpass). Erste
Pflicht ist es daher Nahrung zu finden. Nach rund 15 km (ich habe mittlerweile
mehrere Energieriegel gefrühstückt) halten wir an einer Art Bäcker. Mm kein
Bäcker, eher eine verrauchte Eckkneipe, wo auch Törtchen
und Kuchen verkauft werden. Ein kleiner Fernseher läuft und zeigt etwas
Olympisches. Achja Olympia. Ungarn hat im Wasserball
gewonnen. Gold? Bronze? Irgendwas? Quasi zum ersten Mal stört mich der
mangelnde Zufluss an Informationen. Zwei kleine Tortenstücke werden bestellt,
aufgrund des unerträglichen Zigarettenrauchs setzen wir uns draußen hin. Also
mir schmeckt die Torte, wieviele Kalorien sie wohl
hatte? Viel = Gut. In Györ,
unserer ersten ungarischen Großstadt, heben wir Geld ab. Also eigentlich macht
das Stefan, ich halte draußen die Fahrräder. Prompt werde ich angebettelt.
Verdammt wie hartnäckig direkt vor einer Bank. Erstens habe ich nix, zweitens
gebe ich nix und drittens verstehe ich nix. Endlich kommt Stefan wieder und
wird ebenfalls angebettelt. Hoffentlich werden wir nicht gerade beklaut, ich
bin besonders aufmerksam. Auch Stefan wimmelt den Bettler ab und wir radeln
weiter. Nach einem Kreisverkehr, wo wir leicht die Orientierung verlieren,
finden wir ein Einkaufszentrum. Und welch Glück? Es hat zum Sonntage geöffnet.
TESCO! Ein kleiner Drogeriemarkt darin liefert uns
neues Autan und eine Nagelschere. Wie auf der letzten Tour hatten wir die
vergessen. Der Tesco liefert lecker Essen… also
Nudeln und Cola. Wie bereits erwähnt, wir wussten
nicht mehr, wo es weiterging. Ein zweiter Kreisverkehr folgt ungenügend
ausgeschildert. Stefan fragt in einer Tankstelle, ja, die Richtung stimme. Nur
endet die Straße an einer für Radfahrer verbotenen Brücke. Ratlos stehen wir
davor und wuchten die Fahrräder gerade auf den 20 cm höheren Gehweg um so die
Brücke zu überqueren, da kommt ein kleiner Ungar auf einem Motorroller und
fragt, in leicht brüchigem deutsch, wo wir den hin wollen. Ach, diese
freundlichen Menschen, man trifft sie überall, ohne ihre Hilfe wäre so ein Tour
sehr viel schwerer. Wir zeigen ihm die Karte, er überlegt kurz, sucht nach
Worten und gibt dann auf. „Hinterher fahren!“ Hinterher fahren? Das kommt mir
bekannt vor, mussten wir doch vor 3 Jahren in Holland hinter einem
motorisierten Mädel herrasen. Doch der Ungar fährt
nicht 40km/h, er fährt nur 30km/h. Keuschen müssen wir trotzdem. Rund 1-2 km
geht die wilde Fahrt. Oder auch mehr, wir waren ja flott unterwegs. Schnell
noch wird uns eine bessere Route, als die des bikeline-Reiseführers, erklärt
und wir bedanken uns. Dreißig Minuten später gibt es
Mittag essen. Brot mit Marmelade oder halt Käse. Es kommt zu keinem
Zwischenfall. Eine Anspielung an gestern
Morgen: Als ich Brot mit Marmelade
und Konrad Brot mit Käse aß, eskalierte unser Streit… und Konrad hatte mein
Brot in seinem Gesicht. Es tut mir noch heute Leid. Dafür kommt leichter Wind auf.
Stefan geht wieder vor in den Wind. Schon nach kurzer Zeit verlassen wir die
Route des bikeline-Reiseführers, die Straße wird leerer aber auch schlechter.
Leichten Anstiegen, folgen leichte Abfahrten. Nach einer Autobahnüberquerung
übernehme ich die Führung an mich und vorbei an einer großen
Gänse/Puten/Truthahn-Zuchtanlage geht’s nach Komárom.
Die Anlage war kilometerlang und stank. Das
ortsansässige Thermalbad ist gut ausgeschildert, ohne gegräpel*
wird es gefunden. Am ersten
„Zeltplatz“ weißt man uns ab, Zelte seien unerwünscht. Am nächsten Zeltplatz
nimmt man uns für den fürstlichen Preis von 5700 Forint (25 €) auf. Inbegriffen
ist jedoch der Eintritt ins Thermalbad. Gut, da wollten wir sowieso hin. In der
äußersten Ecke des Zeltplatzes bauen wir das Zelt auf. Nachdem wir unsere Sache
aufgeräumt haben, gehen wir ins Thermalbad. Mit roten Armbändern, mit
integrierten Chips öffnen sich uns die meisten Tore. Das erste jedoch hat einen
Magnetstreifenkartenkontrollkasten und ein Schild weißt an: „Tor immer
schließen!“ Die Tür bekommen wir wohl nicht auf. Eine Magnetkarte fehlt uns. Da
Stefan sich vor der dominanten, blonden Rezeptionsdame leicht fürchtet,
begleite ich ihn. Siehe da, man braucht gar keine Magnetkarte, das Tor ist
immer offen!!! Die Schilder und die Anlage sind nur Attrappe, Show. Aber uns
hat sie ja auch abgehalten, also scheint es zu funktionieren. Im Bad wird jeder unserer Schritte
durch die Armbandchips verfolgt. Stolz präsentieren wir unsere Radfahrerbräune
und die kantigen Waden. Lustig hingegen machen wir uns über solariumsgebräunte
Schönlinge. Das Bad ist recht schön. Warmes,
stark ionisiertes Wasser umspült uns. Es hat einen so starken Auftrieb, dass
ich mich schon leicht anstrengen muss, um die Füße unter Wasser zuhalten. Auch
mein Sonnenbrand schmerzt im salzigen Wasser, doch das warme Wasser tut
ansonsten sehr gut. Nach einer Stunde Entspannen im Wasser legen wir uns an die
frische Luft in futuristisch anmutendem Hängematten und lesen unsere Bücher. Als es dann kühler wir und die
Sonne kurz vor dem Untergehen ist, koche ich Essen und Stefan macht sich nochmal
auf den Weg, auf der Suche nach Gas. Er bleibt lange genug weg, dass ich mir
Sorgen mache. Mit Leckereien, aber ohne eine Gaskartusche, kommt er nach einer
dreiviertel Stunde wieder. Der Grund für sein langes fernbleiben, lässt sich
wohl am besten mit „I hoabb niggs“
beschreiben: Dies waren nämlich die Worte eines Deutschen, der beim Verlassen
des örtlichen Tesco-Supermarktes die
Diebstahl-Alarmanlage auslöste. Die Security habe sofort reagiert, berichtete Stefan, und habe den dicken Mann festgehalten. Woraufhin
dieser ungehalten wurde und immer wieder „I HOABB NIGGS!“ schmetterte. Ende
offen. Campinggas ist in Ungarn offenbar
unbekannt. Stefan wird zu Tankstellen und Supermärkten geschickt, doch
Brennstoff bekommt er nirgends. Am Abend gedenken wir des 1. Mm (=Megameter = 1.000.000 Meter = 1.000
Kilometer) unserer Tour. Schnell noch weiße Schokolade gefuttert, dann wird
geschlafen.“ *das Wort sollte man inzwischen kennen. Der Reisebericht aus dem zweiten Abschnitt in Ungarn:
|
# 11 |
Montag, 25.08.2008 |
||
Komárom – Komarno (SK) – Esztergom (HUN) - Budapest |
|||
128,6 km |
6:25 h |
av. V = 20,0 km/h |
|
↗ 116 hm |
↘138 hm |
av. P = 60 W |
|
17°C - 30°C, sonnig |
10583 HUF |
||
Vorher genießen wir aber erst
einmal den tollen Blick über die Donau auf Esztergom,
welches eine der ältesten Städte Ungarns ist und sogar mal Hauptstadt des Magyarenreichs war. Im Fokus steht dabei die imposante und
weithin sichtbare Basilika mit ihren markanten türkisenen Kuppeln. Es ist die
größte Kirche Ungarns. Ihr zu Ehren wurde die Graner
Messe von Franz Liszt komponiert, Gran ist der deutsche Name von Esztergom. In der Basilika hat seit 1000 Jahren der
Erzbischof von Esztergom, der Primas der ungarischen
Kirche, seinen Sitz. Beim Erinnerungsfoto fällt Konrad die DigiCam
runter. Im ersten Augenblick stellt sie sich Tod, aber dann tut sie wieder
ihren Dienst. Vorerst…
Esztergom lassen wir schnell hinter uns und fahren an Weinbergen aus
der Stadt hinaus. Nach einem kurzen Pseudo-Radweg am Rande des Flusses, müssen
wir wieder auf eine große Straße. Die Donau fließt hier nicht mehr so breit
dahin, sondern wird von Bergen in ein Tal gezwängt. Auf der anderen Seite, die
inzwischen nicht mehr slowakisch ist, entdecken wir bei einer kleinen Pause
ganz ohne Reiseführer einige Höhlen in den Felswänden. Die Pause war nötig da
ein Knie von mir plötzlich und ohne ersichtlichen Grund schmerzt. Ich habe
keine Ahnung was das soll, aber ich kann kaum noch treten. Ich beiße die Zähne
zusammen und hoffe einfach, dass es wieder aufhört, will aber die Tagesetappe
so schnell wie möglich hinter mich bringen.
Eine Flussbiegung weiter gibt es
wieder etwas zusehen: Visegrad. Der Name klingt eher
nach einem russischen Industriestandort, aber dahinter verbürgt sich wieder
eine Stadt römischen Ursprungs. Hoch oben auf einem steilen Berg steht eine
alte Burg. Erst dachten wir unsere Augen trügen uns, doch tatsächlich hat man
ihre verfallenen Mauern einfach mit Beton aufgefüllt. Wie kann man nur ein
solches Kulturgut (hier lagerte zum Schutze, Jahrhunderte lang, die ungarische
Krone) so verstümmeln?
Hinter Visegrad
macht die Donau einen mächtigen Bogen in den Süden: Das sogenannte Donauknie
erwartet uns. Seit Linz waren wir der Donau immer in Richtung Osten gefolgt,
nun geht es direkt in den Süden. Schon
seit Urzeiten hat sich der Flusslauf hier diese Schlucht durch ein Gebirge gegraben.
Die dunklen, dicht bewaldeten Berghänge und seltsam geformten Kalksteinfelsen
bieten ein romantisches Bild. Davor hat sich die Donau in zwei Arme aufgeteilt,
die zum Felsen kontrastreich, eine ganz flache Insel bilden, welche den
unaussprechlichen Namen Szentendrei Sziget trägt.
Auf die Insel bringt uns eine
kleine Fähre. Der Fährmann steht seinen freundlichen Landsleuten in nichts nach
und besteht darauf die schwer beladenen Fahrräder aufs Boot zu schleppen. Außer
ein paar kleinen Dörfern hat die flache Insel nur Felder. Die höchste Erhebung
sind die goldgelben, aufgetürmten Strohhaufen. Autos gibt es fast keine und so
fahren wir ungestört die 20-Kilometerlange Insel ab. Wir genießen noch einmal
die Ruhe und die weite Landschaft, denn kurz vor uns liegt Budapest. Großstädte
sind immer eine starke Belastung für uns. Zu Hektisch. Zu stressig. Zu
schmutzig. Zu voll und zu laut. Also noch einmal die Kräfte bei einem Eis
sammeln.
Wieder bringt uns eine Fähre aufs
Festland zurück. Und sofort beginnen die Ausläufer der Großstadt uns zu
erschlagen. Wie folgen immer dem Radwegsymbol des „Euro 6“. Diesem schenken wir
unser gesamtes Vertrauen auf den Weg in die Stadt (und hoffentlich
wiederheraus, aber erst Morgen). Stur folgen wir der Beschilderung, nichts in
Frage stellend, auch nicht als der Weg nur noch ein Trampelpfad ist der durchs
Unkraut führt. Dann wieder plötzlich durch eine Siedlung oder unter einer
Autobahnbrücke hindurch. Im Gegensatz zu Wien haben wir heute aber ein Ziel,
auf der Karte ist nicht weit vom Flussufer entfernt ein Campingplatz eingezeichnet.
Als der Radweg ein Schotterweg
wird, fordert mich ein Drei-Käse-Hoch zum Sprintduell heraus. Zwar habe ich so
meine Mühe, die Tourenrad-Masse und meinen Körper zu beschleunigen, aber als
ich meine Renngeschwindigkeit dann endlich erreicht hatte, musste er sich
geschlagen geben. Yes! Einen Zehnjährigen besiegt!
Ein Kanal gibt uns das Zeichen:
Hier muss der Zeltplatz irgendwo sein. Komischer Weise sehen wir aber außer
einer Plattensiedlung und einer 6-spurigen Straße nichts. Hier soll ein
Zeltplatz sein? Aber nach einigem hin und herfahren und dank der netten Ungarn
finden wir den Platz schließlich. Direkt an der lauten Straße. Schwer
eingezäunt und bewacht. Der Zeltplatz kostet wieder soviel wie letzte Nacht
(umgerechnet 25 €), nur das es dieses Mal kein Thermalbad zum Entspannen gibt.
Aus Sicherheitsgründen bekommt man eine Karte. Nur mit der darf man den Platz
betreten. Den Zaun krönt Stacheldraht. Wo sind wir hier?
Wir bauen unser Zelt auf. Direkt
neben uns hat sich eine Horde amerikanischer Teenager aus einem Reisebus
niedergelassen. Sie fahren über den gesamten Kontinent, von Metropole zu
Metropole. Lernt man so Europa kennen? Zumindest kann man es nachher behaupten.
Aber ganz cool stöckeln die Mädels mit ihren Absatzschuhen über die Wiese. Auch
die Jungs stehen in ihnen in Punkto Eitelkeit in nichts nach. Die Boxershorts
werden nur einmal getragen und dann in den Duschen zurück gelassen. Überhaupt
verwüsten sie die Sanitäranlagen tüchtig. Als sie dann das Nachtleben von
Budapest unsicher machen – auch da bringt der Bus sie hin – wird es ruhig und
wie kochen unser Abendbrot. Also wie immer Nudeln. Den Kohlenhydratspeicher
auffüllen. Doch heute werden die Ravioli nur lauwarm, denn dann ist unser Gas
endgültig alle.
Ich mache mich nochmal auf den Weg
und suche die Supermärkte und Tankstellen der Umgebung nach Gaskartuschen ab.
Obwohl wir flexibel sind, was die Gaskartuschensysteme
(Steck- und Schraubverschluss) angeht, ist nichts zu finden. Ach warum gibt’s denn
hier nirgends einen Globetrotter? Dort würde man alles finden. Das nächste Mal
kaufen wir vor so einer Tour einen Benzinkocher, aber dann gibt es vielleicht
nur noch Wasserstoff, Autogas oder Strom an den Tankstellen.
Um den Frust Einhalt zugebieten
kaufe ich Gummibärchen und leckere weiße Schokolade.