# 1
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Freitag, 15.08.2008
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Bannewitz – Dresden – Pirna – Königstein - Bad Schandau – Ostrau
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60,5 km
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3:23 h
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av. V = 17,8 km/h
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↗ 279 hm
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↘307 hm
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av. P = 80 W
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12°C - 14°C, Regen
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35,60 €
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Unsere Radtour
von Dresden nach Istanbul ging am Freitagnachmittag los. Konrad musste noch
seine letzte Prüfung – welch Freude: es war Mathe - für das gerade vergangene
Semester hinter sich bringen und auch ich war erst seit zwei Tagen in der
Vorlesungs- und nun endlich auch prüfungsfreien Zeit des Sommers 2008
angekommen. Die letzten Tage des Lernens in der sächsischen Landes- und
Universitätsbibliothek hatte ich schon dieses aufgeregte Kribbeln im Bauch und
das Zucken in den Beinen und konnte mich kaum noch auf Entscheidungslehre und
Fertigungstechnik konzentrieren. Zu groß war die Vorfreude auf all das was da
kommen könnte. Fast stündlich riefen wir uns am Vorabend der großen Tour an,
damit wir auch wirklich nichts Wichtiges vergessen konnten. Wichtige Fragen wie
die, ob wir einen Ultraleicht-Klapp-Hocker unbedingt mitnehmen müssen oder eben
nicht, stellen sich uns ständig. Am Ende hatten wir dafür keinen Platz und die
Frage löste sich von alleine auf. Wir hatten nur am Gepäckträger Packtaschen
und übermäßig viel Kapazität boten diese einfach nicht. Da muss man dann eben abwägen,
ob man wirklich einen Hocker oder lieber doch Wechselunterwäsche mitnehmen
will. Auf der Strecke blieben so zum Beispiel auch die beiden Isomatten. Es ist
ja Sommer und da ist es ja eher warm als kalt. Das vielleicht einzige Luxusgut im
Gepäck für jeden war ein Buch. Nicht zwei, wie Konrad anfangs flehte, nur eins,
denn sehr oft sieht man auf den Radwegen dieser Welt Radreisende die unendlich und
übertrieben schwer beladen sind. wenn man zum Nordkapp fährt ist es vielleicht
noch gerechtfertigt, nicht aber wenn man in Mittel- und Südeuropa unterwegs
ist. Spätestens am ersten 10%-Berg, der mehr als nur eine kurze Rampe ist, wird
man mir recht geben. Der Unterschied zwischen 25 und 40 Kilogramm ist da dann
schon enorm und das Verlangen nach einem Hocker lässt spürbar nach. Zumal Berge
selten allein in der Landschaft rumstehen, sondern oft nach dem Ersten dann
noch weitere folgen und dann nervt jedes Kilo. Nicht umsonst ist im Radsport
der Trend zu immer leichteren Werkstoffen seit Jahrzehnten erkennbar. Gepackt
hatten wir so schon alles, die Reifen waren aufgepumpt, die Kette geölt, wir
waren bereit, nur Konrad musste eben noch Mathematik II absolvieren und zu Ende
schreiben.
Ich hole Konrad
direkt von der Prüfung ab, anschließend essen wir noch schnell in der Mensa –
natürlich Unmengen Nudeln – und hoffen dabei, dass der starke Regen endlich
nachlassen würde. Wochenlang war Hochsommer in Deutschland gewesen, aber zum
Tourstart schüttete es wie aus Eimern. Der Wetterbericht, den wir natürlich seit
Tagen gespannt verfolgten, sagte für das gesamte Wochenende nichts als Regen
voraus. Der Start würde sprichwörtlich ins Wasser fallen, musste aber dennoch
stattfinden. Wir hatten nun nicht mal mehr die Wahl: Um Geld zu sparen, wurden
schon vor Reisebeginn die Rückflugtickets des Billigfliegers nach Deutschland
mit unseren Fahrrädern gebucht. In nur
33 Tagen würde in Istanbul unsere Heimflugmaschine starten. In 33 Tagen müssen
wir dort am Flughafen stehen. Zwischen uns liegen bis dahin mehr als 3000
Kilometer, zehn Staaten und gewiss viele wunderbare Erlebnisse, schöne Tage,
aber auch ebenso Harte. Unter diesen zeitlichen Rahmenbedingungen wollen wir
nicht schon am ersten Tag einen vollen Tag verlieren, alldieweil das Wetter
auch morgen oder übermorgen nicht besser werden würde. So packen wir es an. So
geht es dann endlich los.
Wie ziehen
unsere Regenjacken an, verstauen alles wasserdicht und fahren zur Frauenkirche
am Neumarkt in Dresden, unserem ersten kleinen Etappenziel etwa fünf Kilometer
vom Startpunkt entfernt.
Es ist ein
anderes Radfahren, wenn man die schweren Satteltaschen (20 kg / Bike) auf dem
Gepäckträger hat und die Straßen schmierig-nass sind. Das Fahrrad ist viel träger
und der Bremsweg deutlich länger. Im Wiegetritt schwankt der Hobel und man
kommt sich vor als könne man gar nicht richtig Rad fahren. Es ist ungewöhnlich.
Doch das Gefühl lässt schnell nach, im Oktober nach der Tour war dagegen
Rennradfahren völlig befremdlich, es fehlte da dann das fette Gewicht im Heck als
Stabilisator.
In Dresden war
gerade wieder das alljährliche Stadtfest, also litten nicht nur wir unter dem
Regenwetter, sondern auch alle Besucher der Stadt und ihrer Feierlichkeiten. Um
ehrlich zu sein, sahen die noch betrübter aus und wunderten sich sicher über
unsere strahlenden Gesichter, denn trotz der Umstände freuten wir uns auf die
bevorstehende Reise. An der neuerbauten Frauenkirche
machten wir unser Startfoto und dann ging es los, den altbekannten und schon
zig-mal befahrenen Elberadweg Richtung tschechischer Grenze. Wir sind es
gemächlich angegangen, wollten locker in Tritt kommen und bitte nicht
hinfallen. Einige andere Radreisende kamen uns entgegen, man grüßt sich nett. Wir
fahren die Elbwiesen entlang, unter dem Blauen Wunder hindurch, am Dresdener
Fernsehturm vorbei, wir passieren Pillnitz, seine Elbinsel und sein Schloss,
radeln weiter vorbei an der Tetzelsäule, wo Luthers Gegenspieler einst seine
praktischen Ablassbriefe für jedermann feil bot. "Sobald das Geld im
Kasten klingt, die Seele in den Himmel
springt!" Mord soll dabei im Übrigen preiswerter gewesen sein, als zum
Beispiel der Diebstahl von Gegenständen aus einer Kirche. Wir brauchen im
Moment nichts zu bereuen und können ruhigen Gewissens weiterfahren.
Ab Pirna
beginnt dann die imposante Sächsische Schweiz, das größte Klettergebiet
Deutschlands. Vor vielen Millionen Jahren wurden aus den einst zusammenhängen
Sandsteinplatten durch Verwitterung und Ausspülungen diese eigentümliche
Landschaft geformt. Tafelberge wie der Lilienstein und spitze Felsnadeln wie
die Barbarine entstanden. Zum Teil wurde
in Steinbrüchen aber leider auch Raubbau betrieben. Heute findet man Gesteine
aus dem Elbsandsteingebirge zum Beispiel in der Bastei, im Dresdener Zwinger,
der Frauenkirche, aber auch im Brandenburger Tor in Berlin.
Da es den
ganzen Tag regnete und auch nicht aufhören wollte, war für uns an zelten nicht
zudenken. Ausgemalt hatten wir uns das zwar idyllisch an der Elbe, aber das
“idyllisch“ konnte heute Abend nicht eintreten. Ich wusste von einer Jugendherberge
etwas abseits der Route auf einem Berg. Am Fuße der Festung Königstein setzten
wir daher mit der Fähre über die Elbe und fuhren bis Bad Schandau, hier geht es
einen etwas zwei Kilometer langen Berg hinauf nach Ostrau und da steht dann die
ersehnte Jugendherberge. Der Herbergsvater meinte wir hätten großes Glück, es
wäre noch etwas frei in seinem Haus. Hätte der uns echt wieder raus in das
Mistwetter geschickt, wenn alle Zimmer belegt gewesen wären? Man könnte ja auch
auf dem Fußboden im Speisesaal den Schlafsack ausrollen. Gehört habe ich das
schon mal von anderen Radreisenden, die eben doch eiskalt abgewiesen worden
sind. Was – wie ich finde und die Bemerkung sei erlaubt – eine riesengroße
Sauerei ist, wenn ganze Rentnerreisegruppen die Jugendherbergen besetzten und
man dann als Student abgewiesen wird und zurück in den Regen muss. Jedenfalls
wir hatten heute im Naturpark Sächsische Schweiz ein Dach über dem Kopf und das
war auch gut so.
Auf der Fähre war
außer uns nur noch ein Ehepaar gewesen. Die Frau fragte wohin wir denn wollten,
was das Ziel unserer Reise sei. Gespannt schaute sie dabei unsere prallen
Gepäckträgertaschen an. Als wir dann Istanbul sagten, schaute sie nicht
schlecht, ich kam mir indes wie ein Hochstapler vor. Es ist unvorstellbar weit
weg. Vor allem wenn man gerade einmal 60 Kilometer absolviert hat und da schon fix
und fertig ist. Aber das lag bestimmt nur an dem tristen Novemberwetter.
In unserem
9m²-Zimmerchen in der Jugendherberge breiteten wir unsere Sachen aus, damit sie
am nächsten Tag trocken oder zumindest trockner als jetzt sind. Wir suchten
ewig in allen Taschen bis wir das komplette Kochequipment, die Nudeln, das
Waschzeug für den Abend und die Landkarte für morgen zusammen gefunden hatten. Eingeschliffen waren diese Handgriffe bei
weitem noch nicht.
Anschließend
kochten wir mit dem Gaskocher auf einem kleinen Hocker unser Abendbrot und
gingen zu Bett.
# 2
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Samstag, 16.08.2008
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Ostrau – Bad Schandau – Děčín – Ústí nad Labem – Velke Zernoseky bei Litomerice
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73,6 km
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4:19 h
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av.V = 17,0 km/h
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↗ 246 hm
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↘318 hm
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av. P
= 60 W
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14°C - 16°C, starker Regen
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4 € und 815 CZK (Kronen)
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Die Nacht in
der Jugendherberge war angenehm, das Frühstück anschließend lecker. Zwischen
unserem Gebäude, in welchem wir geschlafen hatten und jenem wo wir uns zum
Frühstück einzufinden hatten, lag ein Hof. So konnten wir da schon mal im
vorbeigehen das Wetter abchecken, während die Fahrräder noch in einem kleinen
Verschlag hinter dem Nebengebäude selig schlummerten: Es war bewölkt, aber
trocken an diesem Morgen des zweiten Tages unserer Reise. Schnell missbrauchten
wir die Föhne im Bad als Wäschetrockner, aber so richtig zufrieden stellend
wurden die Sachen dennoch nicht trocken. Eigentlich war es auch egal: Denn als
wir dann eine Stunde später unsere vaude-Taschen
fertig gepackt und diese auf die Räder geschnallt hatten, begann es zu nieseln.
Wir fuhren natürlich dennoch guter Dinge los, weil so ein leichter Niesel nicht
weiter schlimm ist und wir ja Regenjacken dabei haben.
Den Berg von
Ostrau nach Bad Schandau konnten wir heute als Abfahrt nehmen. Mir erschien er
deutlich kürzer, als gestern der Anstieg in entgegengesetzte Richtung hinauf und
so waren wir schnell wieder im Elbtal, auf dem Elberadweg und damit auf unserer
Route. Nach wenigen Kilometern erreichen wir die deutsch-tschechische Grenze in
Schmilka/Hrensko. Wie an jeder weiteren Grenze knipsten wir ein Foto zur
Erinnerung.
weiter ging's in Tschechien