Der Reisebericht aus dem Abschnitt Kroatien
#14
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Donnerstag, 28.08.2008
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Dunafalva - Mohács - Osijek (HR) - Vukovar
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142,5 km
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6:48 h
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av.
V = 21,0 km/h
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↗ 189 hm
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↘173 hm
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av. P = 80 W
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15°C - 29°C, warm, diesig
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1924 HUF (Forint)
& 541 HRK (Kuna)
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Hinter der Grenze verfahren wir uns erst einmal richtig an
der erstbesten Möglichkeit. In der Orientierungsphase versuchen wir dann auch
den Film des Fotoapparates zu wechseln.
An der Grenze schien es mir nämlich so, als ob das obligatorische
Grenzfoto nichts geworden sei.
Und tatsächlich war
der Film schon voll. Sage und schreibe 10 Bilder passten auf diesen Film, die 2
GB SD-Speicherkarte meiner Digitalkamera lacht sich in der Packtasche schlapp,
als sie das hört.
Wir fahren nun seit Tagen mal wieder durch hügeliges
Terrain. Der Weg führt kurvenreich bergauf durch Obstplantagen und Weinberge,
hier soll wohl eine der bekanntesten Weinregionen Kroatiens sein. Auch wenn der
Bikeline-Reiseführer damit dieses mal über- statt untertreibt: 3
Anstiegssymbole in der Karte haben wir
nach knapp 5 Minuten eher spielend, statt schwitzend, überwunden. Nur Konrads Fahrrad fängt an, Probleme zumachen: einige Ritzel scheinen
nicht mehr richtig zu greifen. Manchmal tritt er komplett ins Leere, was am
Berg, auch an kleinen, leidlich nervig ist. Anschließend geht es steil und auf
schlechtem Kopfsteinpflaster zurück hinab auf das Niveau der Donau. Wir kommen
in die serbisch-kroatische Grenzstadt Batina, doch bleiben noch lange auf der
kroatischen Donauseite.
Reine Radwege finden wir in Kroatien nicht vor, aber dafür
eine durchgängige Beschilderung die den Weg auf der „Ruta Dunav“ sehr gut weist.
Der Verkehr auf den 40 Kilometern zwischen Batina und Bilje ist schwach und so
ist es von der Seite gesehen ein angenehmes Fahren. Auch die Versorgung mit
Lebensmitteln ist perfekt, da in jedem noch so kleinem Ort winzige
Lebensmittelläden, namens “Bilie-Market“, zu finden sind ,in denen wir Essen,
Trinken und heute auch Klopapier kaufen können. Leider gab es nur eine große
12er Packung, die wir dann recht sperrig über den Gepäckträgertaschen und dem
Zelt befestigen. Bezahlt wird hier in “Kuna“, was mich auf Grund meines Nachnamens Kuna(th)
freuig stimmt: Eine Währung die ganz offensichtlich mir zu Ehren so heißt, wie
sie heißt. Vielleicht kommen wir irgendwann ja mal in ein Land, wo man Konrads wegen
mit Zierolen bezahlt. Wahrscheinlich
ist es allerdings nicht.
Die Ortschaften hier sehen größtenteils sehr ärmlich aus. Wir
sehen viele Häuser die teilweise schon
zusammen gefallen sind und in denen dennoch Menschen leben. Zudem liegt sehr
viel Müll und Unrat in den Höfen, in
denen die Kinder spielen und über denen die gewaschene Wäsche im Rauch des
Feuers trocknet. Die Kinder freuen sich, wenn sie uns sehen und begrüßen uns
euphorisch. Einmal werden wir auch angebettelt, ein paar Jungen rennen neben
uns her, lachen sich dabei aber schon über ihren Versuch kaputt. Ernst gemeint
war es nicht. Dennoch kann man sich nicht vorstellen, dass der Westen des
Landes sehr viel reicher ist und trotzdem hier scheinbar kein Geld davon
ankommt.
Da wir gut in der Zeit liegen, machen wir heute wieder einmal eine richtige
Mittagspause, inklusive Nudelkochen und
nochmaliger Zeitungslektüre.
Von Bilje an über Osijek bis Vukovar müssen wir dann einer
großen und verkehrsreichen Bundesstraße folgen, alternative Wege gibt es nicht.
Kurz vor Osijek sehen wir im Wald und auf Brachland immer mehr Schilder die vor
Landminen warnen. Wir wussten, dass um Osijek zwischen 1991 und 95 im
kroatischen Unabhängigkeitskrieg quasi ein geschlossener Minengürtel angelegt
wurde, dennoch wird das Bauchgefühl immer bedrückender. Das hier ist kein Spaß
mehr. Wenn man hier vom Wege abgeht um im Wald oder auf einer Wiese zum
Beispiel sein Zelt aufzuschlagen, kann man diese Leichtsinnigkeit schnell mit
dem Leben bezahlen. So stellt sich mir auch nicht die Frage, wo ich mein großes
Geschäft verrichte: AUF dem Weg, egal ob hier irgendjemand jetzt meinen nackten
Hintern sieht. Die Totenkopfschilder und Teiche in Kraterform sind real.
Osijek – die Hauptstadt Slawoniens, dem Landstich den wir
hier durchfahren – liegt an der Drau, einem ordentlichen Zufluss zur Donau, hat
einen recht großen Hafen und weitere Kriegsspuren. Kurz hinter der Stadt liegt Nemetin, hier
wurde 1992 der größte Gefangenaustausch vorgenommen, ein Denkmal erinnert an jenen
Tag.
Die 45 Kilometer von Osijek zum Tagesziel Vukovar auf der
teilweise verkehrsreichen Straße sind eher langweilig, es sei denn man ist Fan
von Ackerbau und Landwirtschaft. Ostslawonien ist die Kornkammer Kroatiens und
so gibt es hier außerhalb der Städte nur Wiesen und Felder zusehen. Die Donau
haben wir über 100 Kilometer bis nach Vukovar hinein nie zu Gesicht bekommen.
In Vukovar selber stellt sich uns die Frage, wo wir heute Nacht schlafen: Zeltplätze sind weder auf Straßenschildern,
noch in unsere Karte vermerkt und wildcampen kommt bei der Minengefahr absolut
nicht in Frage. Also suchen wir uns eine Unterkunft und finden schnell ein
Hotel, das Hotel Dunav. Die 2 Sterne an der Tür verraten uns, dass wir hier
allem Anschein nach eine Unterkunft unserer Preisklasse gefunden haben und da
es schon recht spät ist, nehmen wir ein Zimmer. Der Hotelmanager, welcher auch nicht einen Kuna von seinem anvisierten
Preis abweichen wollte, scheint seine Gäste je nach Herkunft unterschiedlich
abzukassieren: Wir, Deutsche, bezahlen den stolzen Preis von umgerechnet 60€
für die Nacht. Wofür? Erst in dem schäbigen Zimmer fällt uns das Ausmaß der
Abzocke auf. Egal. Wir haben einen schönen Blick auf die Donau, unsere
Fahrräder sind in der Werkstatt des Hotels eingeschlossen und wir können
ungestört im Zimmer unseren Gaskocher aufbauen, Würstchen kochen und Konrad
trinkt ein paar Schlucke einer unsagbar ekelhaften Cola. Nebenbei läuft das
UEFA-Cup- Spiel Hajduk Split gegen
Deportivo La Coruña, die Kroaten verlieren am Ende mit 0:2 und scheiden aus.
Am Abend gehe ich noch eine Runde durch die Stadt spazieren (Konrad liest indes den Spiegel an einem Tag komplett durch ) und sehe auch hier wieder schreckliche Spuren
des Krieges: Direkt neben dem Hotel ist eine Art Stadthalle deren Wände
komplett von Einschusslöchern durchsiebt sind. In der Schlacht um Vukovar hat
ein großes Regiment der Jugoslawischen Volksarmee 87 Tage lang die Stadt
belagert und unter Dauerfeuer genommen und dabei fast vollständig zerstört. Anschließend
marschierte die Armee ein, trieb einen Teil der verbleibenden Bevölkerung
zusammen, verfrachtete sie in einen Schweinestall und töte 200 Menschen davon
in einem Massaker. Die anderen wurden in serbische Internierungslager gebracht.
Konrad und ich, wir beide hatten noch nie Spuren eines
Krieges so deutlich und nah gesehen, der 2. Weltkrieg ist lange her, Dresden
glänzt längst wieder im alten Licht, doch hier in Kroatien spürt man auf
Schritt und Tritt die abscheuliche Gewalt und uneingeschränkte Zerstörung die ein Krieg auslöst. Und vermutlich hat
jeder Kroate, der über 30 ist und dem ich hier über den Weg laufe, selber
mitgekämpft und seine Stadt versucht zu verteidigen.
Beim zurückkommen ins Hotel merke ich dann auch, dass wir
wohl das beste Hotel der Stadt ausgewählt haben. Zumindest was die Lage angeht:
Am Platz der Republik Kroatien, 1.
#15
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Freitag, 29.08.2008
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Vukovar - Novi Sad (SRB)
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87,5 km
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4:03 h
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av.
V = 21,5 km/h
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↗ 556 hm
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↘550 hm
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av. P = 100 W
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21°C - 33°C,
in Kroatien: bedeckt, in Serbien: sonnig
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35 HRK (Kuna)
& 4520 RSD (Dinar)
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Der heutige Abschnitt soll uns nun nach Serbien bringen.
Der Plan sieht die rund 80 Kilometer bis Novi Sad vor. Mehr nicht, denn gestern
haben wir mehr geschafft als erwartet. Vor Serbien hatten wir beide (aber
Konrad noch ein bisschen mehr) ein ungutes Gefühl: Es waren auch deutsche Kampfjets, die 1999, also vor nicht einmal zehn Jahren,
die Städte Novi Sad und Belgrad bombardiert hatten. Außerdem kam es im Februar
des Jahres unserer Reise zur Abspaltung des Kosovo von Serbien, was die
serbische Regierung nicht akzeptierte, unsere Bundesregierung hingegen schon. Wir wussten also nicht, was die Serben von Deutschen halten und
beschlossen, uns im Zweifel als
Schweizer auszugeben. Auf jedem
Fall wollen wir politische Diskussionen
meiden.
Der Tag selber begann aber damit, dass es in der Nacht zum
ersten Mal seit einer Woche wieder geregnet hat und wir im Hotel geschlafen und
somit alles richtig gemacht hatten.
Das Frühstück im Speisesaal des Hotels war dann unterstes
Jugendherbergsniveau. Es gab Brot, Butter und einen Teller mit Wurst und Käse.
Für alle Hotelgäste. Gut, der Teller wurde nachgefüllt, wenn er leer war, aber
das konnte auch mal zehn Minuten dauern. In jedem Fall war es dem Preis und uns
Radfahrern nicht angemessen. Zur Strafe
essen wir einfach unendlich lang und unendlich viel. Das Gute nach 2 Wochen
Radfahren ist nämlich, dass man sehr viel essen kann. Der Körper verbraucht den
ganzen Tag über Energie, die er aber nur früh und abends bekommt, folglich muss
der Magen zu diesen Mahlzeiten bereit sein, genügend aufzunehmen. Und an diesem
Morgen haben wir für Zehn gegessen.
So brechen wir auf und verlassen Vukovar. Wir sehen noch
einmal zerstörte Häuser und zum ersten Mal das Wahrzeichen der Stadt: Den zerschossenen
Wasserturm von Vukovar, das Mahnmal für
diesen allgegenwärtigen Krieg. Oben drauf weht eine riesige kroatische Fahne im
Wind. Man wird den Turm mit seinen riesigen Granattreffern nicht sanieren oder
gar abreißen, denn inzwischen erkennt man seinen Wert als Postkarten- und
Souvenirmotiv.
Die zirka 25 Kilometer sind sehr bergig, immer wieder
fahren wir steile Berge hinauf, um sie
auf der anderen Seite wieder runterzufahren. Zwei andere Radreisende fahren
auch gerade diese Strecke, so fahren wir quasi zusammen, aber ohne es zu planen oder auch nur ein Wort zu
wechseln. Als sie in einer Kneipe frühstücken, fahren wir alleine weiter. Wir
hatten ja schon ausgiebig Brot mit Wurst und Käse. Konrad hat wieder seine
Probleme mit der Schaltung. Kurz vor der Grenze halten wir wieder an einem
kleinen Bilie-Market und geben unsere letzten Kunas für Eistee und gefüllte
Croissants aus und essen sie gleich auf einer Bank vor dem Laden.
Ein alter, sehr alter Mann kommt, beginnt unsere Fahrräder zu untersuchen und
befindet sie als „sehr stark“. So kommen
wir ins Gespräch. Als er erfährt, dass wir Deutsche sind, erzählt er uns, dass
er in den 80ern für ein paar Jahre in Deutschland, bei Stuttgart, gewohnt und gearbeitet hat. Er war dort als
Mauerer auf einer großen Baustelle beschäftigt und grübelte lange über den
Namen der Firma, aber es fiel ihm nicht ein, was aber auch egal ist. Es hatte
ihm in Deutschland sehr gefallen, das merkte man ihm an. Jetzt ist er wieder in
seiner Heimat Ilok und baut Mais an. Die Stadt zeigt ein weiteres typisches
kroatisches Merkmal: Viele Häuser sind unverputzt und stehen fast wie im Rohbau
da. Aber es wohnen schon Menschen darin. Nun könnte es sein, dass es zurzeit günstig
ist, Häuser zu bauen, aber nein: Ein
anderes Motiv liegt dem zu Grunde: Häuser ohne Putz sind steuerlich noch keine
Häuser und somit spart man Geld, wenn man sie nicht verputzt. Und so sind viele
Häuser unfertig und werden es vielleicht auch für immer bleiben.
In Ilok hätten wir auch auf die andere Donauseite mit der
Fähre wechseln können, bleiben aber lieber am verkehrsarmen Südufer.
Die Zivilisation endet hier in Ilok, ein sicheres Indiz
dafür, dass wir uns wieder einmal einer Grenze nähern. Die Straße ist
unbefahren und führt kurvig durch ein kleines Tal, in dem die Natur ungehindert
wuchert. Auffällig viele Schmetterlinge wuseln um uns herum. Ihnen scheint das
schwül-warme Klima zu gefallen. Die Grenze selber ist enttäuschend unauffällig,
nur ein kleines Haus steht da und ein Schlagbaum versperrt die Durchfahrt.
weiter ging's in Serbien
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