Am Ziel der Tour in Istanbul/Konstantinopel/Byzantion
Als wir aber wieder einmal halten müssen, da wir nicht die
einzigen sind, die sich hier erfreuen, fällt unser Blick auf die riesige Kuppel
einer Moschee. Wir merkten sofort, dass das nicht irgendeine Moschee ist, dafür
ist sie ein paar Nummer zu imposant. Schnell wühle ich nach dem Reiseführer um
diese Moschee mit der auf dem Titelbild zu vergleichen. Und tatsächlich: Es ist
die Sultan-Ahmed-Moschee, die man hierzulande besser unter dem Namen Blaue
Moschee kennt. Wir sind im Herzen Istanbuls. Wir sind angekommen. Wir sind mit
dem Fahrrad von Dresden bis hierher gefahren und nun stehen wir höchstens 500
Meter von dem Wahrzeichen dieser Weltmetropole entfernt da. Mehr da sein, geht
nicht. 3388,6 Kilometer zeigt der Fahrradcomputer in diesem Moment an. Wir sind
am Ziel. Es ist so ein überwältigendes Gefühl, dass dieser Traum wahr wird.
Auch wenn man ja immer damit gerechnet hat, so ist der Augenblick dieser
Ankunft dennoch einer der schönsten meines Lebens und ich bin unendlich dankbar
ihn hier und jetzt erleben zu dürfen. Egal wie anstrengend und belastend einige
Abschnitte dieser Tour waren, wir bereuen sie nicht, denn wir haben sie
gemeinsam bewältigt und nun hat es sich voll und ganz gelohnt.
Nach dem wir einige Zeit den Moment genossen hatten und er
uns vollends bewusst geworden ist, wollen wir aber irgendwo heimisch werden. Im
Reiseführer stand, dass es im Stadtteil Sultanahmet, in dem wir nun auf einmal
sind, Übernachtungsmöglichkeiten für jeden Geldbeutel gibt und auch ein paar
preiswerte Hostels hier zu finden sind. Wir fahren also geradewegs in das
historische Zentrum Istanbuls hinein. Schnell finden wir eine Menge kleiner
Hotels, ich gehe einfach in das erstbeste hinein und frage nach einem freien
Zimmer und dem Preis dafür. Leider seien sie schon voll, erklärt mir die
überaus attraktive Frau am Tresen, ruft aber sofort über die Straße ihren Nachbarn
herbei. Der besitzt, wie der Zufall es so will, ebenfalls eine Herberge. Von
außen schon schick, wird es in ihr immer edler. Ich frage noch im hineintreten
nach dem Preis für ein Zimmer, denn das hier ist wohl eher ein paar Nummer zu
prächtig, doch der gute Mann lächelt nur und lobt mein Fahrrad. Er zieht mich
förmlich durch Gänge und Zimmer immer tiefer in sein Hotel hinein. Weiße,
glatte Marmorböden, darauf feine Teppiche, die ich kaum zu betreten wage, rote
Samtvorhänge und riesige Spiegel mit Goldumrandung säumen den Weg. Am Ende der
Vorführung, zeigt er mir sein Büro mit einem großen und edlen Holzschreibtisch,
wie man ihn nur bei Staatsmännern erwarten würde. Überall stehen Antiquitäten,
darunter ein exorbitanter Globus, der vermutlich mal Kolumbus gehört haben
dürfte und Statuen, die durchaus aus Elfenbein geschnitzt sein könnten. Hinter
ihm hängt ein mächtiges Ölgemälde mit dem Antlitz Atatürks. Um dem ganzen aber noch die Spitze aufzusetzen, bittet er mich
auf einen Thron, der drei Treppenstufen höher steht und vollkommen golden ist.
Seine Lehne ist an die zwei Meter hoch und sein Bezug gleicht den roten
Samtvorhängen. Erst weigere ich mich, doch er drückt mich äußerst freundlich,
aber dennoch bestimmt auf diese erhabene Sitzmöglichkeit. So steige ich hinauf
und setze mich schließlich bereitwillig hin, schaue in Augenhöhe auf Atatürk
und mit ihm auf den Hotelbesitzer hinab. Kurz könnte man meinen, ich wäre der
König, ach was sag ich: Der Sultan von Istanbul, der hier gerade in seinem
Palast empfangen wurde. Von unten fragt mich indes der kleine Hotelbesitzer,
wie viel ich denn für ein Zimmer bereit wäre zu zahlen. Ich schaue auf ihn
hinab und erwidere, dass ich mir hier kein Zimmer leisten könne. Er meint
daraufhin zu mir, dass er schon denkt, dass ich einer wäre, der sich hier ein
Zimmer nehmen wird. Ich versuche weiterhin einen Preis zu erfahren, doch er
lässt seinerseits nicht locker und möchte wissen, wie viel mir hier ein Zimmer
wert wäre. Im Übrigen befinden wir uns gerade direkt neben der Blauen Moschee.
Ich versuche es weiterhin diplomatisch, doch als wir uns im Kreis drehen,
beende ich das Spiel und gebe meine Bereitschaft für höchstens 50€ pro Nacht
bekannt. Fürs Doppelzimmer wohlgemerkt, denn Konrad darf ich auch als Sultan jetzt
nicht vergessen. Dem Hotelbesitzer schläft das Gesicht fast ein, er wird sogar
ein bisschen ungehalten, fast böse und schickt mich zur Tür hinaus. Nicht zu
der, durch die wir hineinkamen, nein über seine feinen Teppiche darf ich nun nicht
mehr schreiten. Direkt neben dem Thron ist der Ausgang in die Realität. Nicht
einmal verabschieden kann ich mich, so schnell schreibt er mich ab. War das
gerade eben wirklich passiert? Ein Märchen aus 1001 Nacht.
Auf der Gegenüberliegenden Seite der Gasse, stehe ich vor
einem Holzhaus, was passender Weise Wooden
House heißt und ebenfalls Gäste zu beherbergen denkt. Vorsichtig blicke
hinein: Winzig klein ist das Foyer, kein Marmor, keine goldenen Spiegel und
auch kein Thron. Vollends glücklich bin ich, als ich erst einmal vom Mann an
der Rezeption ignoriert werde. Das ist genau meine Liga. Dann mal los. 40€ soll
eine Nacht für uns beide zusammen kosten, inklusive ist ein Frühstück, Internet,
soviel Tee wie man will und man darf die Dachterrasse mit nutzen. Wir sind
immer noch direkt neben der Blauen Moschee. Ich versuche mich ein wenig im
Handeln und so müssen wir zusammen nur 100 € für die drei Nächte bis zur
Abreise bezahlen. Das dafür sofort und nur in Bar. Im Touristenviertel ist aber
auch ein Geldautomat für die Kreditkarte nicht weit und so ist die Sache
schneller geritzt als auf dem Thron eben noch gedacht.
Die Fahrräder können wir direkt neben dir Tür stellen und
damit ist das Foyer mit seinen zwei mal zwei Metern auch fast schon ausgefüllt.
Eine enge Treppe geht es im vollkommen aus Holz gebauten Haus hinauf in die
zweite Etage, wo unser Zimmer liegt. Es ist klein, aber es hat zwei Betten und
eine Tür und damit ist es perfekt. Der Blick aus dem Fenster richtet sich
direkt auf das Hotel mit dem Thron, wenn man aber nach rechts blickt, sieht man
eine verwinkelte Gasse entlang und über dem Ende die Blaue Moschee und einige
ihrer sechs Minarette. Die Dachterrasse bietet einen tollen Blick über die
Dächer des Altstadtviertels und den Bosporus bis hinüber auf die asiatische Seite
von Istanbul. Dazu verweht ein frisches Lüftchen, die Hitze, die in den Gassen
steht. Wir gehen nach einer kleinen Pause, eine Runde durch das
Sultanahmet-Viertel spazieren. Gegenüber der Blauen Moschee liegt die Hagia
Sofia
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