vonDresdennachIstanbul
3390 km
 
   

Der Reisebericht aus dem Abschnitt Rumänien

#18

Montag, 01.09.2008

Bela Crkva - Moldova Veche – Donaudurchbruch (Dubova)

131,2 km

7:27 h

av. V = 19,1 km/h

↗ 788 hm

↘787 hm

av. P = 100 W

19°C - 32°C, sonnig

362 RSD (Dinar) &

20 RON (Leu/Lew)


Ja - wir sind zurück in der Europäischen Union und sind erleichtert. Nicht,  dass die Serben uns auch nur einmal Angst gemacht hätten, aber die Frage was passiert wäre, wenn man da Pässe und Geld und alles verloren hätte, quasi gestrandet wäre, steht dennoch im Raum. Oder was ist nach einem Hundebiss zutun? Kennen die hier überhaupt die AOK Sachsen? In der EU, so bilden wir uns ein, sind wir eine starke Gemeinschaft, die zusammen hält und sich gegenseitig hilft.

In Rumänien sind wir sofort in einer anderen Welt. Gleich hinter der Grenze beginnt ein Karpatenausläufer, den wir überqueren müssen. Aus dem Stand geht es 500 Höhenmeter durch dichten, aber flachen, Wald hinauf. Manchmal, an einer Kurve, kann man durch die Nadelgehölze einen weiten Blick über die Landschaft mit Hügeln, endlosen Wäldern und kräftigen Wiesen nehmen. Stetig geht es bis zum höchsten Punkt bergauf. Die Straße ist in einem tadellosen Zustand und fast unbefahren, einmal kommt hier im Niemandsland ein Müllauto vorbei und sammelt an einer Raststätte die Abfälle ein. Ein Traum.

Was es hoch geht, muss es auch wieder hinuntergehen, in einer rasanten Abfahrt erreichen wir wieder die Donau bei Pojejena. Die Donau ist hier im Donaudurchbruch in einem engen Tal, welches für den Wind wie ein Tunnel wirkt. Wir haben sehr straken Gegenwind. Am Ende der Abfahrt müssen wir sogar bergab stark treten.

Wenig später in Moldova Veche, begehen wir die erste Handlung wie in jedem neuen Land: Geld beschaffen. Da wir keinen Geldautomat finden können, bitten wir einen jungen Mann, mit FC Bayern München – Base Cap, uns zusagen, wo es zu einem Bankomat geht. Er versteht kein Wort. Ich versteh kein Wort. Erst als er die Kreditkarte sieht, verstehen wir uns. Nun sollen wir ihm folgen und zwar genau in die Richtung aus welcher er gerade kam. Er führt uns lange durch die Stadt, scheut keinen Umweg für sich.  Am Straßenrand sehen wir erste Pferdefuhrwerke geparkt wie Autos und auch einen Rettungswagen mit der Aufschrift: “Rettungsdienst Köln – Jeder Schlaganfall – ein Notfall - 112“. Nach zehn Minuten haben wir gleich mehrere Bankhäuser zur Auswahl. Er verabschiedet sich schneller, als wir uns für seine Hilfe bedanken können und verschwindet.  An dem Geldautomat stellt sich uns erst einmal die Frage, wie viel rumänisches Geld wir gedenken abzuheben. Widersprüchliche Wechselkurse entdecken wir in der Reiseliteratur: Der Bikeline-Reiseführer meint 1 € entspricht über 35.000 rumänischen Lei. Ich hatte eigentlich irgendetwas mit 1:3 in Erinnerung und verlasse mich auch richtigerweise auf mein Bauchgefühl. Die 350 rumänischen Lei entsprechen etwa 100€, was für die Tage in Rumänien reichen sollten. Hätte ich blind 100 mal 35.000 Lei abgehoben – was natürlich niemals funktioniert hätte – wäre ich im Besitz von knapp einer Million Euro gewesen und das in einem Land in dem der durchschnittliche Arbeiter nur 200€ pro Monat verdient.

Wir verlassen Moldova Veche auf der einzigen Straße, die in Richtung Süden und so in den Donaudurchbruch führt. Die steilabfallenden Feldwände beidseitig des Flusses stauen die Donau hier noch einmal zu einem See an. In dessen Mitte eine Gebirgsfalte eine Insel bildet und an dessen Ufern eine Mondlandschaft die letzte flache Ebene für mehr als 100 Kilometer erschafft. Wieso plötzlich für ein paar Kilometer unseres Weges diese trostlose Ödnis zwischen der Straße und der Donau da war wissen wir nicht. An einem Meer hätte ich gedacht, dass hier Salz gewonnen wird.  

Unmittelbar an der Stelle wo sich die Donau in die Felsen schneidet, sehen wir auf der serbischen Flussseite die 700 jährige Festung Golubac, welche sich vom Ufer der Donau bis auf einen etwa 100 Meter hohen Felsen erstreckt, und von da oben über die Einfahrt in die Schlucht wacht. Ein recht imposantes Bild, welches man wohl nur von Rumänien aus so auf sich wirken lassen kann. Allzu lange können wir hier jedoch nicht rasten oder gar eine Siesta machen: Wir haben nämlich keine Getränke mehr und die Sonne knallt auf uns herab. Außerdem verliert man bei so starkem Gegenwind noch mehr Flüssigkeit als sonst schon über die Atemluft und hat so ständig Durst.

Doch das Probleme ist uns in diesem Moment  egal, auch alle noch so langweiligen Abschnitte unsere Tour, alle Irrfahrten im Verkehrschaos von Budapest und Belgrad sind vergessen: Wir fahren in die beeindruckteste Naturlandschaft unserer Tour ein: Das Donaudurchbruchstal des Eisernen Tors. Auf einer Straße mit perfektem Asphalt, die aber außer uns kein Mensch nutzt, radeln wir an steilen Felshängen vorbei. Nur die Straße findet zwischen den manchmal bewaldeten, andermal schroffen Bergen und der schmalen und schnellen Donau ihren Weg. Es ist ein – im wahrsten Sinne des Wortes – unbeschreibliches Ambiente: diese Ruhe und Einsamkeit, die Nähe zum Strom, die hohen Felsen und immer wieder Bauten aus längst vergangenen Tagen wie dem Kloster Manastirea oder den Cetatii Tricole, habsburgische Zolltürme, die nach wie vor aus den Fluten ragen. Es waren mal drei, heute stehen noch zwei.

Auf der anderen Flussseite, im Schatten und immer wieder in Tunneln verschwindend können wir die starkbefahrene Alternativroute durch den Donaudurchbruch sehen, aber nicht hören, denn auch wenn das andere Ufer nah scheint, ist es doch viel weiter weg und Straßenlärm dringt nicht bis zu uns. Auch wenn es langsam spät wird, machen wir noch einmal Pause und klettern von unserer Straße zum Fluss hinab, halten die Füße ins Wasser und sind einfach nur glücklich hier zu sein. Ein paar Angler sind unsere einzigen Zeugen.

Immer wieder kommen wir an kleinen Dörfern vorbei, doch Einkaufsmöglichkeiten finden wir keine und somit haben wir auch weiterhin nichts zum trinken. Vermutlich verdurstet man nicht am Ufer, des größten europäischen Flusses, der pro Sekunde 6.000 m³ Wasser an uns vorbeidrückt, aber abgefüllt in Flaschen, vielleicht auch mit Kohlensäure und eventuell etwas Geschmack ist uns doch lieber. In einem weiteren malerischen Örtchen beschließen wir daher uns zu informieren und den Erstbesten zu fragen. So ein Schritt will jetzt gut überlegt sein: Die Dorfstraße des auserwählten Ortes führt brutal steil den Berg hinauf aus dem Tal und allzu oft möchte man so einen Abstecher nicht umsonst machen. Aber an einem Pfirsichbaum mit reifen Früchten kann man auch den ersten Durst stillen und weitere Motivation sammeln.

Wir erregen schnell aufsehen und als ich meine leere Wasserflasche zeige, um so den Weg zum nächsten Laden zu erfahren, ist ein Bauer so hilfsbereit und füllt mir die Flasche mit Brunnenwasser ab. Trinken würden wir es nicht, doch das lasse ich mir nicht anmerken und da der Mann sichtlich froh war uns geholfen zuhaben, will ich ihn auch nicht weiter nach dem Weg zu einer alternativen Wasserversorgung „fragen“. Wir versuchen einen Dorfplatz oder die Kirche zu finden, irgendwo müssen die Leute ja auch Lebensmittel bekommen können. Es kann ja nicht jeder ein Selbstversorger sein, so wie unser Gemüsebauer mit dem Brunnen. Doch immer wieder enden steile Straßen in einem Bauernhof oder auch auf dem Friedhof. Doch plötzlich sehen wir an der Wand eines Hauses die Schrift: „Complex commercial“. Unsere alten Lateinkenntnisse sagen uns, dass man hier Geld für irgendetwas ausgeben kann. Im Idealfall: Getränke, in Flaschen, mit Kohlensäure und Geschmack. Und tatsächlich: Ein Lebensmittelladen, Komplex ist vielleicht ein wenig übertrieben, mit allem was uns glücklich macht. Viele Regale sind schon leer oder waren vielleicht auch nie voll. Mit unseren umgerechneten 100 Euro könnten wir den Laden komplett leer kaufen. Wir halten uns zurück und sind dankbar für eine Tüte Nudeln, Soße, Limo und Wasser. Jetzt haben wir alles was wir wollten und die Suche nach einem Nachtlager kann beginnen.

Wir wollen aber noch ein Stück an der Donau weiterfahren. Ein paar Kilometer weiter soll sich ein Zeltplatz befinden. Die Abfahrt durch das Dorf, hinab zu unserer Donau wurde nichts so angenehm wie anzunehmen gewesen wäre. Ein Hund lauerte uns plötzlich auf, hinauf hätte er es deutlich leichter gehabt, und greift uns an. Leise hatte er sich angepirscht, bemerkt haben wir in erst, als er neben uns stand und anfing zu bellen. Auf der Flucht erwischte er noch meine hintere Gepäckträgertasche mit einem beherzten Biss. Zu mehr kam er nicht, Hangabtriebskraft sei Dank. Eine Kurve weiter drehte der nächste Hund frei, überschlug sich aber selber bei dem Versuch uns zu beeindrucken. Man wo kamen die Viecher denn auf einmal alle her und warum sind wir auf einmal ihre Zielscheibe? Und was wäre wenn ich oder Konrad von einem gebissen worden wäre?

Adrenalingeladen kommen wir zurück auf die leere Hauptstraße. Es sollten bei weitem nicht die letzten Begegnungen mit den Kläffern für diesen Tag gewesen sein. Die Straße wurde nun immer schlechter. Der erste Abschnitt war perfekt asphaltiert gewesen, weil er nigelnagelneu (Ja man schreibt es so) war. Doch mehr als die ersten 20 Kilometer hat die Wanderbaustellen noch nicht geschafft. Von nun an rollen wir immer mehr auf Kies und Staub. Tief Luft holen heißt es da, wenn wir doch einmal einem Auto begegnen.

 Wenn man mit dem Rad durch ein fremdes Land fährt, dann macht man es auch um fremde Kulturen und Lebensweisen kennen zu lernen. Und jeden Tag sieht man etwas Neues, erfährt etwas Unerwartetes und lernt dazu:

Heute lernen wir, wie man in Rumänien seine Baustellenmaschinen vor Diebstahl oder Sabotage schützt: Man nehme sich eine Hundebande irgendwo her und siedele sie direkt an der zu bewachenden Maschine an. Dort füttert man sie so oft, bis die die treuen Söldner es als ihr Revier begriffen haben und dann, wenn es langsam Abend wird und zwei abgerackerte Radfahrer die Straße entlang fahren und nichts ahnend sich der Baustelle nähern, attackieren sie diese und vertreiben den Feind, auch wenn er garnichts Böses im Sinn hatte. Auf Kies den Biestern davon zufahren ist nun schon weit anspruchsvoller als die Abfahrtsflucht auf Asphalt. Wir meistern an diesem Abend noch drei weitere dieser Aufgaben. Aber selbstverständlich ist das nicht. Ich weiß nicht, wie vielleicht ältere Radreisende hier davon kommen, wenn sie es nicht schaffen auf 40km/h unter diesen Bedingungen zu beschleunigen und dann auch nicht auf dem Geröll stürzen. Ungeschoren jedenfalls nicht.

Es wird schon dunkel als wir der Straße hinauf ins Dorf Dubova folgen. Wir sind ganz nah an der engsten Stelle des Donaudurchbruches. Hier stehen die Felsen besonders steil im Wasser und die Straße muss über den Berg führen. Oben angekommen versuchen wir den Zeltplatz zu finden, den es hier geben soll. Ein paar ältere Leute genießen den Abend auf einer Bank und unterhalten sich, als Konrad sie nach dem Weg fragt. Konrad kann – soweit ich weiß - kein Rumänisch und hier kann auch eigentlich keiner Englisch oder Deutsch, dennoch erfährt er irgendwie eine Wegbeschreibung zum Zeltplatz. Eine steile Straße hinab an die Donau und dann immer rechts halten und da soll er sein.

Wir kommen wieder an einer Art aufgestauten See heraus. Wir sind kurz hinter der engsten Stelle und ein paar hundert Meter weiter wird es wieder recht gepresst zwischen den Felsen, aber hier hat sich eben diese Art See gebildet. Das Wasser ist ganz friedlich, sogar kleine Schiffe könnten anlegen. Wir folgen der Wegbeschreibung weiter am Ufer des “Sees“, beobachtet und verfolgt von einer weiteren Hundebande und gelangen an die Anlegestelle eines Hausbootes. Ein Schild weißt den kurzen Weg in die Lichtung des dichten angrenzenden Waldes. Wir sind direkt am Donaudurchbruch, so nah, dass wir nichts davon sehen können, weil der Weg hier endet.

Es ist nun schon dunkel, ein kleiner Hund steht bei uns auf der Lichtung. Er scheint friedlich gesinnt zu sein. Hier ist der deklarierte Zeltplatz. Also eine einfache freie Fläche im Gehölz, wo man sein Zelt aufbauen kann. Mehr nicht. Aus dem Wald hören wir Gefauche und Gebelle anderer Hunde. Oder von Wölfe. Oder Bären. Alles kann es hier geben. Es ist unheimlich. Es ist kein schöner Ort zum zelten. Wir gehen zurück ans Wasser zu dem Hausboot, der kleine Hund begleitet uns und schlagen unser Lager direkt unter einem Baum, auf einer kleinen Wiese auf. Damit wird hier gewiss keiner ein Problem haben.

Der Besitzer des Hausbootes bemerkt und rasch und wir kommen ins Gespräch. Er heißt Daniel, ist Grenzbeamter hier an der EU-Außengrenze zu Serbien und wohnt scheinbar allein auf dem Boot. Er schmeißt den Generator an und beleuchtet mit einem Scheinwerfer unser Lager. Das ist ziemlich hilfreich, da es in stockdunkler Nacht schwierig ist ein Zelt aufzubauen, den Kocher herzustellen und alles bereit für die Nacht zu machen. Daniel hat eine Katze namens Tom, die alsbald zu ihm kommt und nach Abendbrot verlangt. Es muss ein hartes Leben für eine Katze, hier mit all den Hunden, sein.

Unser kleiner Hund hat sich an den Eingang des Zeltes gelegt. Er sucht immer wieder den Kontakt und steht eindeutig auf unserer Seite im Vergleich zu all den anderen Mistviechern heute.

Am Abend passiert mir noch ein Malheur: Beim Abwaschen unserer Teller und des Topfes im Flusswasser, rutsche ich von den Steinen und falle in die Donau. Komplett. Konrad und Daniel lachen sich über mein Missgeschick lautstark kaputt. Kein Gedanke daran, mir aus dem kalten Wasser zu helfen. Mir bleibt nichts anderes übrig, dieser Sache auch das witzige abzugewinnen, die Wut zu verdrängen und mit zulachen. Dummerweise hatte ich aber mein Handy dabei in der Hosentasche. Abends mache ich immer an um zu erfahren, wer sich um mich sorgt, so auch heute und hab es dann in die Tasche gesteckt. Es gibt von nun an kein Lebenszeichen mehr von sich.

Fazit des Tages: Tolle Landschaft am Donaudurchbruch und böse Hunde, außer unserer, überall. Das Pfefferspray bleibt heute Nacht in Griffweite.

 

#19

Dienstag, 02.09.2008

Donaudurchbruch (Dubova) - Drobeta-Turnu Severin - Crivina

94,4 km

5:05 h

av. V = 18,5 km/h

↗ 412 hm

↘391 hm

av. P = 60 W

17°C - 38°C, sonnig

52 RON (Leu/Lew)

 

Der Morgen beginnt mit der Diskussion wie spät es ist. Ein Blick auf die Uhr reicht heute nicht aus, denn seit wir in Rumänien sind, sind wir auch eine Zeitzone weiter östlich. Also schon eine Stunde später als auf der Uhr. Konrad sieht es nicht ein, an dieser willkürlich gezogenen Zeitgrenze eine neue Zeitrechnung zu beginnen. Hätte es den Einfluss auf unsere weitere Reise, richten wir uns überhaupt nach der Uhr, ist es nicht völlig egal wie spät es ist? Der Tag beginnt mit dem Sonnenaufgang und endet, wenn die Nacht hereinbricht. Es ist völlig egal ob das um 19 Uhr oder 20 Uhr passiert. Die Zeit ist relativ, wenn es in Deutschland 19 Uhr ist und hier in Rumänien 20 Uhr, dann ist dennoch derselbe Augenblick. Die Worte in einem Telefonat – sofern man Handy ohne Wasserschaden hat - verharren nicht eine Stunde in der Leitung bis die Zeit bei Anrufer und Angerufenem gleich ist. Es ist scheißegal. Eigentlich. Aber sobald man in Kontakt mit Menschen tritt und sei es nur um Öffnungszeiten des nächsten Ladens zu erfragen, muss man sich auf einen einheitlichen Zeitbezug einigen. Und der ist in Deutschland und Serbien gleich, nicht aber in Rumänien. Da wir uns nicht einigen können, sprechen wir von nun an von 7 Uhr rumänischer Zeit und 8 Uhr serbisch-deutscher Zeit. Nach diesem Beschluss stehen wir auf.

Die ganze Nacht über hat uns unser kleiner Hund bewacht. Immer wieder hat er andere Hunde vertrieben oder sie gar bekämpft. Das ein oder andere Mal dachte ich schon, den Geräuschen nach zu schließen, er sei im Kampf gefallen. Doch am nächsten Morgen begrüßte er uns am Eingang des Zeltes. Er wedelte mit dem Schwanz und freute sich uns zu sehen. Eine treue Seele und das ganz ohne Gegenleistung. Wir haben leider keine Belohnung für ihn.

Ich ziehe meine nassen Klamotten an, über Nacht sind sie nicht getrocknet und auch am morgen scheint noch kein Sonnenstrahl in diese enge Schlucht. Daniel hat heute Morgen seine Grenzpolizeiuniform an und ein Kollege ist auch bei ihm. Sie kommen zu uns rüber und wollen irgendetwas sehen. Sie schauen sich gezielt um. Daniel findet das englische Wort nicht um auszudrücken, was er meint, Konrad kann wirklich kein rumänisch und so wissen wir nicht was sie wollen. Nach einem Augenblick sehe ich in Daniel nicht mehr den lustigen Gesprächspartner von gestern Abend, sondern nur noch seine Uniform. Ich zeige ihm unsere Reisepässe, vielleicht will  er ja die sehen? Da lacht er nur, die sind ihm egal. Schließlich findet er, was er sucht:  unsere Landkarten. Er zeigt uns,  wo Rumänien liegt und wo das verhasste Serbien ist und wo unsere Heimat, Deutschland, sein muss. Er zeigt uns ein Städtchen in Bayern, wo er mal eine Zeit lang bei  seiner Schwester gewohnt hat. Alle Menschen die wir treffen, waren irgendwann einmal eine Weile in Deutschland.

Als wir Dubova verlassen, versucht unser kleiner Beschützerhund noch eine ganze Weile uns zu folgen. Letztendlich vergeblich, kein Hund kann uns folgen. Es bricht uns das Herz, als wir noch einmal zurückblicken und er dort ganz traurig sitzt und uns nach sieht. Wir werden ihn sicher nie vergessen.

Als wir das Dorf endgültig verlassen haben, wird endlich die Sicht auf die engste Donaustelle frei. Es ist beeindruckend,  wie die manchmal  kilometerbreite Donau hier auf einen Steinwurf weit zusammengepresst wird.

Gleich hinter dem nächsten Flussbogen erwartet uns die nächste Sehenswürdigkeit:  Der Decebalus Rex, ein Monument in Stein gehauen, 40 Meter hoch und 25 Meter breit, es zeigt den Kopf des letzten Königs von Dakien, dem heutigen Rumänien. Sein Name heißt übrigens „so stark wie zehn Männer“ und er herrschte hier bis 106 n. Chr.,  als die Römer kamen.

Etwa 10 Kilometer später, im Örtchen Eşelniţa, finden wir endlich den nächsten Laden, in dem wir Frühstück kaufen können. Drei Brote essen wir an diesem Morgen, ein neuer Rekord. Das  Radfahren und die frische Luft machen richtig hungrig. Wir sitzen hier eine Weile in der Vormittagssonne, heute fehlt der nötige Antrieb,  vorwärts zukommen. Außerdem hat so eine langweilige Dorfstraße überraschend viel, was man beobachten kann: Drei Bauarbeiter kommen zum Beispiel mit ihrem Baustellenfahrzeug an. Beim Aussteigen hat der Fahrer noch einen Songtext auf den Lippen, den er wohl gerade noch im Autoradio volle Bulle gehört hat: “Raz dva tri, Moskau, Posmotri, Pioneri tam idyt, Pesni leniny pojut“. Das kennen wir doch. Irgendetwas sagen uns diese russischen Worte. Wie bei einer Melodie, die man mit einem besonderen Augenblick verbindet, versuchen meine Neuronen im Großhirn auch jetzt blitzschnell eine Verbindung aufzubauen… Heureka, genau jetzt habe ich es: Es ist Rammstein, Deutschlands erfolgreichster Musikexport. Auch hier in Rumänien bestens bekannt. Heimatgefühle kommen dennoch nicht auf. Zwei Hunde unterhalten uns da schon besser:  Einen  geilen Rüden gelüstet es nach einer unwillige Hündin. Es ist ein unterhaltsames Spektakulum zu beobachten, wie der Hund immer wieder versucht,  sie zu besteigen und sie sich geschickt wegdreht. Doch der Hund gibt keines Falls auf, er versucht es immer und immer wieder. Er gibt nicht auf. Und was ist die Moral der Geschichte? ;-) Leider haben wir das „Happy End“ dieser Liebesgeschichte nicht mehr mit erlebt. Durch rumsitzen und Sexualfeldstudien bei hundeartigen Landwirbeltieren  kommt man nämlich nicht den nächsten Berg hoch.

Hinter besagtem Berg liegt die Stadt Orşova. Bei Orşova ist die Donau wieder unheimlich breit, zwar immer noch im Donaudurchbruchstal eingeklemmt, aber durch das Donaukraftwerkes SIP zehn Kilometer flussabwärts am Eisernen Tor mächtig aufgestaut.  Damals, als das Kraftwerk 1971 gebaut wurde und mit  der damit verbundenen Anhebung des Wasserspiegels, mussten die Bewohner umgesiedelt werden und das neue Orşova entstand. Unwiederbringlich verloren ging hingegen die Insel Ada Kaleh inmitten der Donau. Die Insel war insofern besonders, als  sie bis ins 20. Jahrhundert hinein eine übriggebliebene türkische Enklave aus jenen Zeiten war, als die Türken noch über den Balkan herrschten und bis zum Untergang der Insel Ada Kaleh lebten auf ihr Muslime. Sie hatten hier ihre eigene Moschee, ein paar Kaffeehäuser, eine als uneinnehmbar geltende Festung und einen türkischen Basar, außerdem musste man keine Steuern zahlen und so florierte der Handel mit Tabak und Schmuck. Leider kommen wir für diese kulturelle Sehenswürdigkeit eben knapp 40 Jahre zu spät. Die Insel mit ihrer romantischen Geschichte ist versunken.

Als wir Orşova verlassen,  gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Zum einen haben wir unseren 2. Megameter, also 2000 Kilometer geschafft und haben Grund zum Feiern, zum anderen müssen wir von nun an aber einer sehr stark befahrenen Transitstraße folgen. Es gibt für die nächsten 25 Kilometer keine Alternative. Am Anfang fahren wir noch auf einem 30 Zentimeter breiten Fußweg, doch der endet alsbald und wir müssen uns zwischen die Autos begeben. Immer wieder kommen unbeleuchtete Tunnel wo wir uns sehr unwohl  fühlen! Eben noch einsame Dorfstraße - nun pulsierende Hauptmagistrale. Immer wieder ist an Baustellenampeln Stau, wir rollen an der qualmenden Kolonne vorbei und werden von vielen Autos so mehrfach überholt. Ganz zum Ärger dieser, da die Straße nur recht schmal ist.

Etwa auf der Hälfte des unangenehmen Straßenabschnittes liegt nun das gigantische Wasserkraftwerk SIP, ein gemeinsames Bauprojekt von Rumänien und dem ehemaligen Jugoslawien. Photographieren ist hier streng verboten und überall ist Schutzpersonal und Videoüberwachung. Weiter geht’s nach Drobeta Turnu Severin, der größten Stadt der Gegend mit über 100.000 Einwohnern.

Wir fahren ein wenig durch die Stadt, auf der Suche nach Filmen für unseren Fotoapparat. Drobeta Turnu Severin zeigt die facettenreiche rumänische Baukunst, schöne geschwungene Kirchen, ein kunstvoller Wasserturm und eine Prägung die noch aus der Römer- und Dakerzeit herrührt. Den Namenszusatz Drobeta erhielt Turnu-Severin erst mit dem Bau des großen Staudammes. Er soll an die römischen Ursprünge erinnern.  Hier lag nämlich deren Stadt Drobeta. Von der aus Kaiser Tranjan zur Logistikunterstützung seiner Feldzüge eine Brücke ins heutige Serbien hinüber bauen ließ. Die Trajansbrücke war die erste dauerhafte Brücke über die untere Donau. Sie  war  -sowohl hinsichtlich ihrer Gesamtlänge,  als auch ihrer Bogenspannweiten - über  eintausend Jahre die längste Brücke der Welt. Leider wurde sie von einem späteren Nachfolger Trajans, der hier nicht genannt werden will, aus Neid zerstört. Noch heute findet man auf dem Grund der Donau aber ihre Fundamente.  Die Pfeiler waren auch aus Stein, die zwanzig Bögen aus Holz und an den beiden Enden der Brücke sollen Triumphbögen gestanden haben. Früher!   Heute zeigt die Stadt  aber auch ihre andere nichts so schöne Seite: hässliche Plattenbauten säumen die zum Teil völlig zerstörte Straßen, dazwischen leben scheinbar selbstständig Hühner und Schweine.

Kurz vor dem Ortsausgang können wir nun die Europastraße 70 verlassen und etwas ruhiger weiter fahren. Auf einem schnurrgeraden Fahrweg, der auch noch etwas erhöht auf einem Deich liegt, bläst uns dafür gnadenlos der Wind entgegen. Wir sind ziemlich kaputt, schon am morgen wäre ich am liebsten beim Frühstücken einfach sitzen geblieben, die unruhige letzte Nacht mit den ganzen Hunden steckt uns noch in den Knochen und nun der Gegenwind – er saugt uns die letzen Kräfte aus. Wir beschließen,  heute mal über den Nachmittag hinweg eine Siesta zumachen, uns Erholung zu bieten bis der Wind nachlässt. Wir legen uns fernab der Straße unter einen Strauch direkt an die Donau. Der Fluss hat schon eine Weile das Donaudurchbruchstal verlassen und fläzt sich hier in einer außerordentlichen Breite in die Landschaft. Man meint an einem großen See zu liegen. Keine Strömung ist wahrnehmbar. Das Wasser ist klar und der Boden sandig.

Wir dösen eine Weile vor uns hin, der Wind treibt die Wolkenbilder über das endlose Land, Konrad liest etwas, das Wasser plätschert ruhig und monoton vor sich hin, ich schlafe ein und träume sogar ein wenig. Vielleicht hätten wir hier bis zum Abend gelegen und wären nur nochmal zum Zelt aufbauen aktiv geworden, doch plötzlich endet der stille Frieden mit lautem und schnell näherkommendem Gekläffe. Wir sind von einer Sekunde auf die andere hell wach und ich suche verzweifelt nach dem Pfefferspray.  Hätte der Zigeunervater* seinen Hund nicht zurückgepfiffen, wäre uns wohl nichts anderes übrig geblieben und wir wären in die Donau gesprungen und weggewatet. Aber der Hund hört auf seinen Besitzer.  Zum ersten Mal sehen wir einen Zigeunertrekk*. Alles Hab und Gut ist auf einen Pferdewagen gepackt.  Die Familie hat wohl auch gerade eine Pause gemacht.  Sie ziehen so schnell weiter, dass man fast denkt,  man hätte noch geträumt. Wir hoffen,  diese Volksgruppe noch öfter in Rumänien zu sehen:  Unser Interesse an ihrem Nomadenleben ist groß.

Wieder hellwach , ziehen wir weiter. Die Straßen werden immer schlechter und hinter dem Dorf Tismana für Autos unzumutbar. So fahren wir allein durch die endlose Weite der Walachei. Kilometer weit sind alleine die großen Bäume eine einzige Abwechslung zur natürlichen Steppenvegetation. Riesige Vogelschwärme fliegen unter lauten Flügelschlägen auf, wenn wir unter einem ihrer Bäume durchfahren. Einziges Highlight ist ein Brunnen der auf einmal am Weg steht. Er funktioniert noch und sein Wasser ist so klar, dass man es vermutlich auch trinken könnte. Wir duschen uns aber stattdessen den Staub von den Körpern und erfrischen uns vor der Weiterfahrt. Das Wasser ist so angenehm kühl in der sengenden Hitze, dass die Verlockung wieder riesengroß ist, einfach hier zu bleiben.

Viel weiter fahren wir auch nicht mehr. Noch durch zwei urige Dörfer, in den man denken könnte, dass man noch im 19. Jahrhundert lebt. In einem müssen wir uns nochmal einer Hundebande stellen. Die Taktik haben wir ein wenig modifiziert: Wir fahren nicht mehr, sondern schieben die Fahrräder als Schutzschilde neben uns her. Einer nimmt das schwere Eisenkettenschloss als Dreschflegel, der andere das noch immer jungfräuliche Pfefferspray. Aus voller Fahrt sind beide Waffen quasi untauglich. Langsam schieben wir Legionäre uns an der feindlichen Armee vorbei, auch sie zeigen uns ihre Waffen, die gefletschten Zähne. Wir haben beide ziemlich Schiss, weil man es mit sieben Hunden zwar aufnehmen könnte, aber wir dennoch nicht schadlos einen solchen Kampfplatz verlassen würden. Bis zur nächsten Tetanus-  und Tollwutimpfstelle wäre es sicher ein weiter Weg. Wir sind hier in der Walachei. Zu mehr als diesem Säbelrasseln kommt es aber  nicht, die Hunde greifen nicht an. Vielleicht erinnern wie sie nun - so langsam die Fahrräder schiebend - mehr an normale, schwerbeladene Dorfbewohner als an Feinde des Haus und Hofes.  

Bis zu einem steilen Anstieg auf den wir beide keinen Bock mehr haben, fahren wir noch weiter. Vermutlich müsste man da sogar hochschieben, da die Räder auf dem losen Untergrund zu wenig Halt hätten. Wir biegen einen kleinen Weg direkt zu einer Wiese an der Donau kurz hinter Crivina ab.

Nach dem Zeltaufbauen, dem Abendnudeln kochen, der provisorischen Katzenwäsche in der Donau und dem in die Schlafsäcke kriechen, passiert heute nur noch eine Begebenheit. Es ist schon stockfinster, als Taschenlampenkegel unser Zelt von außen beleuchten. Wer wird das sein? Was will der von uns? Das Pfefferspray wird wieder wild gesucht. Dann klopft dieser Jemand sogar an das Zelt und spricht uns an. Erst auf rumänisch, dann auf englisch: Es ist die Poliţia de frontieră română, die rumänische Grenzpolizei. Leute wie Daniel, nur dass diese beiden sich sehr für unsere Pässe interessieren. Wir werden auch in einem Büchlein vermerkt, mit all unseren Daten die sich in dem Pass so befinden. Die Polizisten waren sehr freundlich, erklärten,  sie müssen das zum Schutze der EU machen, auf der anderen Flussseite sei  ja Serbien und damit EU-Ausland. Sie entschuldigen sich für die Unannehmlichkeiten, Wünschen uns eine gute Nacht und gehen wieder.

Es ist ein traumhaft schöner Abend, der Himmel war niemals zuvor so reich an Sternen. Auf der anderen, weit entfernten Seite der Donau liegt ein kleines Dorf, man sieht nur die Lichter. Hundebellen tönt ganz leise herüber. Ich empfinde es in diesem Moment nicht als störend, eher im Gegenteil. Am Waldesrand, nicht weit von uns, hören  wir ein paar Pferde- oder Eselskarren durch die Dunkelheit fahren. Es sind wieder Zigeuner* die abseits der großen Straßen auf einem nur ihnen bekannten Wegenetz durch die Lande reisen.  Fast könnte man sie für diese Freiheit beneiden.

 

*) Politisch korrekt ist nicht der Begriff Zigeuner, sondern Roma. Da wir aber keine rassistischen oder diskriminierenden Vorurteile pflegen, eher das Gegenteil mit solchen Reisen leben, erlauben wir uns das wohl bekanntere Wort Zigeuner auch weiterhin zu verwenden.

 

#20

Mittwoch, 03.09.2008

Crivina - Maglavit - Rast

130,0 km

6:20 h

av. V = 20,5 km/h

↗ 283 hm

↘272 hm

av. P = 60 W

18°C - 34°C, sonnig

41 RON (Leu/Lew)

 

Heute überlasse ich wieder einmal Konrads Tagebuch das Wort. Vorhang auf. voilà:

„3.9.2008   20. Tag    Von ? bis Rast

Es war wirklich eine gute Nacht. Geweckt werden wir von Kuhglockengeläut. Wir stecken unsere Köpfe aus dem Zelt und sind umzingelt von Kühen. Ein kleiner Junge treibt sie die Donau entlang und an unserem Zelt vorbei. Sowas erlebt kein Pauschaltourist, dass ist das urige Rumänien, was man nur mit dem Zelt erleben kann.

Vor dem Frühstück wartet noch der Berg, vordem wir gestern gekniffen haben. Also die Kette ganz links, auf dem leichtestem Ritzel geht es den Anstieg hoch und sind schon, bevor es überhaupt Frühstück gab, total durchgeschwitzt. Wenigstens gibt es im nächsten Dorf, Burila Mare, einen Laden, hier “Magazin“ genannt. Da der Bäcker noch keine Brote in diesen Dorf gebracht hat, kaufen wir einen brotgroßen, eingeschweißten Kuchen. Mh, er schmeckt trocken und irgendwie staubig. Und dann sehe ich es… Schimmel ! Wir haben einen durch und durch verschimmeltes Kuchenbrot gegessen. Also geht es sofort wieder rein in den Laden und Regressforderungen gegen die Ladenbesitzerin geltend gemacht. Alles was Recht ist. Man verweist mich auf das noch nicht abgelaufene Mindesthaltbarkeitsdatum. Auch die anderen Kuchenbrote im Laden sind alle verschimmelt. Man versteht meine Forderung nach Rückerstattung des Kaufpreises nicht, resigniert dann am Ende aber doch und zahlt uns aus.

Wir fahren noch immer ein wenig hungrig, aber dennoch glücklich weiter. Das Wetter ist wie immer gut und die Landschaft wirkt wie einer Zeitreise entsprungen. Genau deswegen machen wir diese Tour. Frühstück finden wir etwas später im nächsten Dorf. Der Laden ist noch im Bau, aber man freut sich so sehr, dass wir hier sind und Frühstück einkaufen, dass man uns noch reichlich mit Obst beschenkt. Das gekaufte Dosenfleisch (Stefan denkt es sind Innereien) essen wir aber nicht auf. Wir sind nicht die einzigen auf der Baustelle, andere Dorfbewohner treffen sich hier zum Plausch.

Bei der Weiterfahr kommen uns immer wieder mit voll beladene Pferdewagen mit Mais und anderem Getreide entgegen. Nach ein paar Kilometern kommt ein als “Spießrutenlauf“ im bikeline-Reiseführer bezeichnete Abschnitt. Er ist es auch. Plötzlich auftauchende Schlaglöcher, tief und manchmal unausweichbar. Und das obwohl mir doch schon eine Speiche gebrochen ist und fehlt. Am Ende bleibt aber alles ganz. Einen letzten Blick können wir nun zwischen zwei Hügeln hindurch und über die Donau hinweg auf Serbien richten. Von nun an liegt Bulgarien auf der anderen Seite des ständigen Grenzflusses.

Wir optimieren heute die Route des bikeline-Reiseführers und sparen uns 20 Kilometer und die Stadt Calafat. Wir fahren fast ganz allein auf der Straße. Dabei überholen wir einen Mann, der in die gleiche Richtung läuft wie wir, nur dass er für die 12 Kilometer bis zum nächsten Dorf ein klein wenig länger brauchen wird. Wo will er überhaupt hin? Und was macht er dann da? Fragen die man sich in Rumänien oft stellt. Die Leute haben hier scheinbar viel mehr Zeit.

In Rast entscheiden wir uns wieder an die Donau zufahren (Man fährt fast immer kilometerweit entfernt zur Donau, es gibt keine Straßen direkt in Ufernähe) und wieder wild zu campen. Wir landen in einem Urwald. Ein kleiner Seitenarm der Donau trennt uns vom wilden Dschungel. Der einzige Fleck wo das Zelt im Gewucher Platz findet, liegt direkt an der Klippe. Steil geht es 5 Meter nach unten. So zelten wir halb auf dem Weg, halb in der Donau. Einmal fährt ein Auto mit Jugendlichen an uns vorbei. Wir vollführen kläglich unsere Abendwäsche, da man zum Fluss die Klippe hinunter muss und dort dann knietief im Flussschlamm versinkt. Später langweilen wir uns. Außer Wald ist nichts zusehen und außer Hunden nichts zuhören. Verdammt sind die hier überall? Wir verkriechen uns ins Zelt, das Pfefferspray immer bereit. Wieder passiert uns nix, man lässt uns in Ruhe.

Mein Handy erwacht nach 2 Tagen der Totenstarre plötzlich wieder zum Leben und funktioniert wie früher. Donauwasser scheint nicht so schlimm zu sein.   

 

#21

Donnerstag, 04.09.2008

Rast - Bechet - Corabia - Turnu Măgurele

140,9 km

6:24 h

av. V = 21,9 km/h

↗ 136 hm

↘147 hm

av. P = 80 W

13°C - 39°C, sonnig und heiß

46 RON (Leu/Lew)

 

Wir stehen recht zeitig auf, schieben die Fahrräder aus dem Wald, kommen an einer Baustelle vorbei, werden daher von Hunden attackiert und radeln los.

Im  Örtchen Rast kaufen wir uns Frühstück und setzen uns vor dem Laden auf eine Bank in die Morgensonne. Schnell werden wir zum Gesprächsthema in und um den Laden herum. Ein Mann, der auch ein wenig deutsch spricht,  interessiert sich sehr für unsere Reise und fragt uns Löcher in den Bauch. Das schmeichelt uns natürlich sehr, er hat auch ein paar Tipps für uns auf Lager, als wir ihm unseren weiteren Routenverlauf erklären. Wir wollten in Corabia die Fähre hinüber nach Bulgarien nehmen. Er meint wir sollten unbedingt  schon 50 Kilometer eher die Fähre in Bechet nutzen. Begründen tut er diesen Ratschlag aber nicht. Daher bleiben wir bei unserem Plan und können so noch 50 Kilometer länger in einem der schönsten Länder Europas bleiben.

Wir könnten heute auch auf Autopilot schalten, den ganzen Tag werden wir auf ein und derselben Straße noch knapp 120 Kilometer fahren. Doch Fahrräder am Beginn des 21. Jahrhunderts haben noch keinen Autopilotmodus. Flugzeuge ja, Fahrräder aber nicht. Uns so fahren wir immer und immer gerade aus, jedes Dorf sieht gleich aus: Die bunten Häuser, mit ihren kleinen Säulen und Verzierungen am Dach, die entlang der Straße gebaut sind, die Kirche, jedes Dorf hat  ein Denkmal für den rumänischen Unabhängigkeitskrieg, es hat einen Laden für allerlei Lebensmittel, oft kaufen wir eine leckere Pampelmusen-Limonade, die aus Moldawien importiert wird und genauso wie die Fanta PinkGrapfruit des CocaCola-Konzernes schmeckt, die dieser jedoch zu meinem Bedauern seit nunmehr 10 Jahren nicht mehr im Sortiment hat.

Zwischen den Dörfern ist in endloser Entfernung nichts zu sehen, wenn der Linienbus nach Bukarest mal vorbeigeknallt kommt, sieht man seine Staubwolke auch 10 Minuten später noch weit vor sich. Panait Istrati beschrieb, wenn auch vor einem politischem Hintergrund, in seinen “Disteln des Baragan“ das Gefühl das diese Landschaft in einem jeden erzeugt ganz treffend. Seine Figur Matache träumt lange davon, den im Wind davon rollenden Distelballen durch die Steppe hinterherzurennen. Völlig ziellos und unendlich weit weg. Mit seinem Freund tut er es auch eines Tages und wird fürs erste dadurch glücklich. Die Geschichte nimmt aber kein gutes Ende.

50 Kilometer oder 10 Dörfer nach Rast endet die Eintönigkeit – Eintönigkeit aber nicht negativ gemeint, eher wie das Meer, was ja auch bis zum Horizont gleich aussieht und dennoch Glücklich macht - an einer Brücke. An der einzigen Brücke, über den Donauzufluss Jiu im Umkreis von 20 Kilometern. Die Brücke wird gerade gebaut und hat im Moment nicht mal eine Fahrbahn, nur ein dünnes Brett für die Arbeiter verbindet die Pfeiler. Ein Sperrschild verbietet die Weiterfahrt. Tolle Wurst. Wir überlegen eine ganze Weile hin und her und spielen gedanklich alle Optionen durch. Variante A: Einen Umweg von 40 Kilometer fahren. Diese Variante wird mit zwei Gegenstimmen, bei keinem Dafür-Votum und keiner Enthaltung rigoros abgelehnt. Variante B: Durch den Fluss gehen. Ich testete es aus, das Wasser war nicht zu tief, man müsste die Fahrräder und das Gepäck einzeln rüber tragen und wäre eben eine Weile beschäftigt. Konrad legt hierfür aber sein Vetorecht ein. Variante C: Wie die Bauarbeiter auch das schmale Brett nutzen. Konrad beschließt für uns beide Variante C. Langsam nähern wir uns ganz unauffällig der Baustelle, schauen den Arbeitern ein wenig zu wie sie barfuß mit dem Presslufthammer zwischen ihren Füßen Beton abhauen. Wir zählen ihre Zehen und nähern uns unserem Ziel. Die Arbeiter sind freundlich – scheinbar hat heute noch keiner daneben gehackt - und machen uns sogar Platz, als sie uns sehen, um über das Brett auf die andere Seite des Flusses zugelangen. Die Bauarbeiter sind aus Bulgarien. Bulgarische Arbeiter bauen also in Rumänien. Rumänische Arbeiter bauen in Deutschland. Deutsche Radfahrer radeln durch Rumänien und bald auch Bulgarien. Global World.

In Bechet machen wir eine Eispause, der Getränkelieferant der den Laden gerade beliefert, hatte seine Ladung nicht gesichert und so ist alle Getränkekisten im LKW umgekippt und völlig durcheinander. Niemanden juckt es. Wir überlegen nochmal kurz hier nach Bulgarien überzusetzten, halten aber an unserem Plan fest. So fahren wir weiter. Nochmal 50 Kilometer auf derselben Straße bis Corabia. Alle 1000 Meter steht ein großer Kilometerstein, auf ihm immer die Streckenangabe bis zum nächsten Dorf und bis zur nächsten größeren Stadt. In den Dörfern lassen die Leute immer alles stehen und liegen, wenn sie uns sehen, die Kinder rennen an die Straße und wollen uns abklatschen und jubeln uns zu. Wir fühlen uns wie Tour de France Helden und genießen die Begeisterung.  In jeder Ortschaft heißt man uns willkommen.

Corabia selber wirkt sehr verfallen. Der Name klingt, wie vieles in Rumänien, nach Latein oder zumindest spanisch oder italienisch. Das hat auch seinen Grund: Frühere Seeleute sind nicht nur im Mittelmeer und im Schwarzen Meer umher gesegelt, sondern haben auch Handel entlang der Donau geführt. Einige fanden es hier so schön, oder ihr Schiff ist wie im Fall Corabia gesunken, so dass sie für immer da geblieben sind.

Wir fahren die Straße an die Donau und suchen die Fähre, doch wir sehen keine, nicht mal eine Anlegestelle ist zuerkennen. Man sagt uns schließlich in Corabia gab es nie eine Fähre. Der bikeline-Reiseführer hat mal wieder gelogen und falsches Zeug in seine Karte gemalt, ich bin fuchsteufelswild und stinksauer. Im Affekt rufe ich mit meinem, wieder auferstandenem, Handy aus Rumänien beim bikeline-Verlag an, beschwere mich und lasse Dampf ab. So eine Sauerei, so ein mangelhafte Arbeit und dafür verlangen sie auch noch Geld. Die Frau am anderen Ende irgendwo in Österreich gesteht meine Beschuldigung. Der Verlag hat nicht wie beschrieben, die ganzen Infos selber vor Ort recherchiert, sondern einfach im Internet gegoogelt. Ich lege nach zig scheinheilgen Ausreden entnervt auf und verbanne den Reiseführer in die Tiefen meiner Packtasche. Für immer. Der Man heute früh hatte recht. Mist. In Turnu Măgurele, 35 Kilometer weiter, soll es (laut Reiseführer) noch eine Fähre geben. Gebe es Gott. Trotzdem ein  70 Kilometer-Umweg.

Ein freundlicher Mann hellt unsere Stimmung wieder auf. Wir saßen die ganze Zeit auf der Bank vor seinem Haus, nun lädt er uns in seinen Garten ein um Weintrauben zu essen. Wir sollen uns soviele pflücken wie wir wollen, er packt uns außerdem noch einen großen Beutel voll. Bei einem Eis etwas später, beschließen wir heute noch 20 Kilometer weiter zufahren und dann an einem Zufluss zur Donau zu zelten. Während wir unsere neue Landkarte inspizieren, läuft eine große Gänseherde völlig selbstständig über die Straße. Kennen die etwa den Weg nach Hause?

Die letzen Kilometer ziehen sich ewig hin, trotz des leichten Rückenwindes. Am besagten Fluss Olt sind die wildcamping Bedingungen dafür dann hervorragend. Nicht so ein Schlammloch wie gestern. Nein feinster Sandstrand. Direkt im Sand noch bauen wir unser Zelt auf und beginnenden eingeschliffenen Abendablauf. Zelt einräumen, Wertsachen verstauen, Fahrräder anschließen, nicht stinkige Klamotten anziehen, Nudeln und Soße kochen und sich sowie das Geschirr waschen.  Seit Smederevo konnten wir nicht mehr duschen. Seit 5 Tagen haben unsere Körper keine Seife mehr gefühlt, nicht das ich darauf stolz wäre, aber es ist wohl ein Rekord in meinem Leben, zumal wir ja jeden Tag ohne Ende schwitzen und durch staubiges Gelände fahren. Im Fluss Olt baden wir aber mal richtig. Er ist so klar, nicht mal Algen wachsen in ihm. Nur Wasser auf Sand. Dafür hat er eine ordentliche Strömung so dass man immer in Ufernähe bleiben muss. Dagegen anschwimmen könnte man wohl nicht und wer will schon vom Olt in die vielleicht 1,5 Kilometer breite Donau gespült werden? 

Beim Abendessen wird es surreal: Kühe kommen den Strand entlang gelaufen. Wir sitzen vorm Zelt am Strand und inmitten einer Rinderherde. Solange es keine Hunde sind, ist alles super. Nur dass sie ständig ihre Fladen verlieren ist doof. So wird der Weg zum Abwaschen am Fluss zu einem Marsch durch ein Minenfeld.

Drei Wochen sind wir nun schon unterwegs. Wir sind in einer anderen Welt gelandet.

 

#22

Freitag, 05.09.2008

Turnu Măgurele - Corabia - Bechet - Kneža (BUL)

133,1 km

6:36 h

av. V = 20,1 km/h

↗ 428 hm

↘299 hm

av. P = 100 W

19°C - 37°C, sonnig und heiß

67 RON (Leu) &

13 BGN (Lew)

 

Der feine Sand von unserem Flusssandstrand hat sich überall im Zelt und in dem Reisegepäck verteilt. Beim vorfrühstücklichen Energieriegelverzehr knirscht der Sand sogar zwischen den Zähnen.

Bis Turnu Măgurele sind es nur noch wenige Kilometer, die Straße ist sehr schlecht, wird aber gerade neu gebaut. Auf beiden Fahrbahnseiten patrollieren Dampfwalzen und bringen so eine neue Schicht Asphalt in Form. Ich denke in ein oder zwei Jahren könnte man auch theoretisch vom Donaudurchbruch bis hierher mit dem Rennrad fahren. Dicke Bereifung ist dann nicht mehr von Nöten, weil die Qualität der neuen Straßen, jener in Deutschland in nichts nachsteht. 

Die Stadt Turnu Măgurele ist die erste größere Stadt seit Drobete Turnu-Severin und so findet man hier auch gute Einkaufsmöglichkeiten. Das Bild dieeser Stadt erinnert nicht mehr an die Weite der Walachei und die Zeitreise, welche man in ihr zumachen scheint. In einem gepflegtem Park setzen wir uns auf eine Bank und frühstücken wieder fürstlich. Wir haben alles gekauft, worauf wir Lust hatten. Natürlich wieder die leckere Limo aus Moldawien, aber auch einen cremigen Kuchen, Baguette, Marmelade und allerlei andere Leckereien. An diesem Morgen laufen viele gut gekleidete Männer und Frauen an uns vorbei auf Arbeit. Von der markanten Kirche hinter uns im Rücken ruft eine Art orthodoxer Muezzin mit klangvoller Stimme melodische Worte. Ein Hauch von Orient, gemischt mit Balkanstimmung, umweht uns. Dem Kirchturm ist eine Zwiebel-Kuppel aufgesetzt und sein Baumeister hat ihm eine Dynamik verliehen, so dass der Turm in sich, wie eine Spirale, verdreht ist.

Auf einem Ostblock-Plattenweg fahren wir dann die zirka drei Kilometer bis zur Donau an die Fähranlegestelle, vorbei an einer qualmenden Industrieanlage.

Alles ist gut, bis auf diese eine Kleinigkeit: Es gibt hier keine Fähre. Es ist kein Schiff am Wasser, was uns mit zum anderen Ufer nehmen könnte. Ein Schild verweist zwar auf einen “Cross Border Check Point“ und ein “Ferry Boat to Nikopol (Bulgaria)“, aber de facto ist beides hier nicht in der Realität zu finden. Erst wollen wir es nicht glauben, fahren die Donau ein wenig in beide Flussrichtungen auf und ab, doch schließlich begreifen wir, dass sowohl die Informationen gestern aus Corabia, als auch der bikeline-Reiseführer mal wieder falsch waren. Einen weiteren Anruf nach Österreich spar ich mir heute. Es hat ja doch keinen Sinn. Wir sind am Boden zerstört und setzten uns an einen Getränkestand, der hier für die Pause der Arbeiter der Industrieanlage aufgestellt worden ist.  Keiner kann uns Infos über die Fähre, welche ja genau hier ab- und anlegen soll, geben. Wir trinken etwas, sitzen rum, gucken unsere Karten an, sehen nochmal nachdem Schild, was von einem Grenzpunkt und einer Fähre berichtet und vergleichen es mit der Realität. Keine Fähre, nicht hier und nicht in Corabia, nur in Bechet ist sicher eine.

Wenig später gesellt sich ein weiterer Mann zu uns und erfährt von den Problemen die wir mit unserem Routenverlauf haben. Er kann sehr gut englisch und klärt uns auf: Die Fähre befindet sich gerade im Bau, aber sie wird schon bald wieder losfahren. Wie bald? Heute Nachmittag? Vielleicht, sagt er, vielleicht aber auch erst nächste Woche oder in einem Monat. Keiner weiß etwas. Er erklärt uns die Alternativen, die wir haben. Eine weitere Fähre aus dem bikeline-Reiseführer, etwa 40 Kilometer weiter existiert, seiner Meinung nach, nicht. Das wundert uns nicht weiter, das Fährsymbol sitzt beim bikeline-Verlag bekannter Weise etwas locker. Noch einmal 55 Kilometer weiter, als knapp 100 Kilometer von hier ist eine Brücke in Giurgiu hinüber nach Ruse in Bulgarien. Ob Fahrräder sie benutzen dürfen weiß er allerdings nicht. Wir könnten auch zurückfahren und in Corabia die Fähre nutzen… Stopp, wie klären ihn auf, dass es in Corabia keine Fähre gibt. Langes Schweigen und ins-Nichts-starren folgt. Die einzige Möglichkeit die wir haben und die wirklich sicher funktioniert, ist die Fähre von Bechet. Und in Bechet waren wir ungefähr gestern um dieselbe Zeit gewesen. Was für ein Griff ins Klo.

Naja es hilft ja alles nichts. Wir bedanken uns bei dem Mann für die Mithilfe bei der Erörterung unserer Situation und brechen wieder auf.  Er fragt uns noch, ob wir uns nicht wundern, wie gut er Englisch spricht. Er habe alles durch Hollywoodfilme gelernt, weil er sie nur in Originalsprache hört. Und darauf ist er stolz. Zu Recht. Englisch kann in Rumänien nämlich fast niemand.

Ochnee … Zurück… Den ganzen Weg noch einmal zurück und auch noch mit Gegenwind. Konrad merkt von meinem moralischen Durchhänger und übernimmt das Heft des Handelns. Wie ein Stier stellt er sich dem Wind und der Herausforderung und führt uns die 85 Kilometer zurück nach Bechet. Neues sehen wir freilich nicht. In Corabia steht der Weintraubenmann am Zaun und schaut uns entsetzt an, wir müssen loslachen. Was der wohl denkt, ob wir jetzt immer kreuz und quer durch die Walachei fahren. Hoffentlich dachte er nicht, dass wir ihn auslachen. Wir fahren durch all die Dörfer, die wir schon kennen, die Kinder jubeln uns wieder zu, doch ich empfinde es als Hohn.

Immer wieder machen wir Pausen, einmal auch exakt an derselben Stelle, an dem selben versiegten Brunnen, wie Tags zu vor. Die Sonne knallt erbarmungslos auf uns herab, nur hin und wieder bieten Bäume Schatten. Riesige Vogelschwärme fliegen, wie wir, gen Süden. Kein Fluss kann sie aufhalten.

Immer wieder überholen wir Pferdefuhrwerke, die den Verkehr auf der Straße dominieren. Autos sind eine Seltenheit. Als Radfahrer ist man ein kleines Stück schneller und so kann man beim Vorbeifahren ein Blick auf ihre Ladung werfen. Manchmal ist es die Ernte, die ins Dorf gefahren wird. Manchmal sind es ganze Familien. Hin und wieder sind auch Zigeuner dabei, die ihrem Nomadenleben nachgehen. Immer springt auch ein Hund irgendwo herum. Alles ist aber ganz friedlich. Bei einer Pause, fragt uns ein Mann mit Eselfuhrwerk, wo wir herkommen. Aus Amerika? Nein, aus Deutschland. Er liebt Deutschland sagt er. Wie lieben sein Land rufen wir zurück. Er ist begeistert und meint, dass er sein Land auch überalles liebe. Er ist so glücklich. Er ist so zufrieden. Er sitzt auf seinem Eselkarren und strahlt über das ganze Gesicht, als er in die ewige Weite seiner Heimat schaut.

Nach fünf Stunden etwa erreichen wir Bechet. Man erinnere sich an den Mann der uns gestern Morgen diesen Grenzübergang dringend empfohlen hatte. 170 Kilometer Umweg später sehen wir die Sache ziemlich genauso wie er. Schwamm drüber, wir sind an einer Fähre nach Bulgarien.

Wir versuchen noch so viel rumänisches Geld wie möglich auszugeben und essen noch das eine oder andere Eis und trinken noch die ein oder andere Cola. Aber es muss auch noch genügend Geld für die Fähre bleiben. An der Grenzstation nimmt man uns für ein MaxiBon-Eis, welches in der Mensa der Technischen Universität Dresden 1,20 € kostet, umgerechnet 5€ ab. Hier wurden wir zum ersten Mal, nach dem Hotel von Vukovar, wieder übers Ohr gehauen und zahlen einen anderen Preis als die Einheimischen. Doch das Eis ist schon geöffnet, als uns der Betrug klar wird.

Die Fähre selbst war dann spottbillig - wir hatten noch viel zu viel rumänisches Geld übrig - bot aber auch keinerlei Komfort. Wir mussten noch eine Stunde am Ufer warten und konnten dann unsere Fahrräder zwischen den vielen Transit-LKWs abstellen. Der Stahlkahn fährt eine kleine Ewigkeit über die Donau, wir sind bestimmt eine halbe Stunde unterwegs. Der Fluss ist so enorm breit und die Strömung zieht das Boot ganz schnell weg, dagegen anzukämpfen braucht dann eben seine Zeit. Am anderen Ufer können wir schon eine etwa 200 Meter hohe Bergwelle sehen, die wir nach unserer Ankunft hoch müssen. Das dauert allerdings nochmal eine Weile, da wir erst noch nach Bulgarien einreisen und an der Grenzstation vorbei müssen.  Photographieren ist wieder streng verboten, aus einem Grenzfoto wird nichts. All die Truckerfahrer drängen auf den einen Grenzbeamten ein, er möge sie doch einreisen lassen. Da wir keine nennenswerte Ladung haben, geht es bei uns dann – als wir endlich dran waren – ganz schnell.


weiter ging's in Bulgarien




www.dresden-istanbul.de
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