Der Reisebericht aus dem Abschnitt Rumänien
#18
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Montag, 01.09.2008
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Bela Crkva - Moldova Veche – Donaudurchbruch
(Dubova)
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131,2 km
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7:27 h
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av.
V = 19,1 km/h
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↗ 788 hm
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↘787 hm
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av. P = 100 W
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19°C - 32°C, sonnig
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362 RSD (Dinar) &
20 RON (Leu/Lew)
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Ja - wir sind zurück in der Europäischen Union
und sind erleichtert. Nicht, dass die
Serben uns auch nur einmal Angst gemacht hätten, aber die Frage was passiert
wäre, wenn man da Pässe und Geld und alles verloren hätte, quasi gestrandet
wäre, steht dennoch im Raum. Oder was ist nach einem Hundebiss zutun? Kennen
die hier überhaupt die AOK Sachsen? In der EU, so bilden wir uns ein, sind wir
eine starke Gemeinschaft, die zusammen hält und sich gegenseitig hilft.
In Rumänien sind wir sofort in einer anderen Welt. Gleich
hinter der Grenze beginnt ein Karpatenausläufer, den wir überqueren müssen. Aus
dem Stand geht es 500 Höhenmeter durch dichten, aber flachen, Wald hinauf.
Manchmal, an einer Kurve, kann man durch die Nadelgehölze einen weiten Blick
über die Landschaft mit Hügeln, endlosen Wäldern und kräftigen Wiesen nehmen.
Stetig geht es bis zum höchsten Punkt bergauf. Die Straße ist in einem
tadellosen Zustand und fast unbefahren, einmal kommt hier im Niemandsland ein
Müllauto vorbei und sammelt an einer Raststätte die Abfälle ein. Ein Traum.
Was es hoch geht, muss es auch wieder hinuntergehen, in
einer rasanten Abfahrt erreichen wir wieder die Donau bei Pojejena. Die Donau
ist hier im Donaudurchbruch in einem engen Tal, welches für den Wind wie ein
Tunnel wirkt. Wir haben sehr straken Gegenwind. Am Ende der Abfahrt müssen wir
sogar bergab stark treten.
Wenig später in Moldova Veche, begehen wir die erste
Handlung wie in jedem neuen Land: Geld beschaffen. Da wir keinen Geldautomat
finden können, bitten wir einen jungen Mann, mit FC Bayern München – Base Cap,
uns zusagen, wo es zu einem Bankomat geht. Er versteht kein Wort. Ich versteh
kein Wort. Erst als er die Kreditkarte sieht, verstehen wir uns. Nun sollen wir
ihm folgen und zwar genau in die Richtung aus welcher er gerade kam. Er führt
uns lange durch die Stadt, scheut keinen Umweg für sich. Am Straßenrand sehen wir erste
Pferdefuhrwerke geparkt wie Autos und auch einen Rettungswagen mit der
Aufschrift: “Rettungsdienst Köln – Jeder Schlaganfall – ein Notfall - 112“.
Nach zehn Minuten haben wir gleich mehrere Bankhäuser zur Auswahl. Er
verabschiedet sich schneller, als wir uns für seine Hilfe bedanken können und
verschwindet. An dem Geldautomat stellt
sich uns erst einmal die Frage, wie viel rumänisches Geld wir gedenken
abzuheben. Widersprüchliche Wechselkurse entdecken wir in der Reiseliteratur:
Der Bikeline-Reiseführer meint 1 € entspricht über 35.000 rumänischen Lei. Ich
hatte eigentlich irgendetwas mit 1:3 in Erinnerung und verlasse mich auch
richtigerweise auf mein Bauchgefühl. Die 350 rumänischen Lei entsprechen etwa 100€,
was für die Tage in Rumänien reichen sollten. Hätte ich blind 100 mal 35.000
Lei abgehoben – was natürlich niemals funktioniert hätte – wäre ich im Besitz
von knapp einer Million Euro gewesen und das in einem Land in dem der
durchschnittliche Arbeiter nur 200€ pro Monat verdient.
Wir verlassen Moldova Veche auf der einzigen Straße, die in
Richtung Süden und so in den Donaudurchbruch führt. Die steilabfallenden
Feldwände beidseitig des Flusses stauen die Donau hier noch einmal zu einem See
an. In dessen Mitte eine Gebirgsfalte eine Insel bildet und an dessen Ufern eine
Mondlandschaft die letzte flache Ebene für mehr als 100 Kilometer erschafft. Wieso
plötzlich für ein paar Kilometer unseres Weges diese trostlose Ödnis zwischen
der Straße und der Donau da war wissen wir nicht. An einem Meer hätte ich
gedacht, dass hier Salz gewonnen wird.
Unmittelbar an der Stelle wo sich die Donau in die Felsen
schneidet, sehen wir auf der serbischen Flussseite die 700 jährige Festung Golubac,
welche sich vom Ufer der Donau bis auf einen etwa 100 Meter hohen Felsen
erstreckt, und von da oben über die Einfahrt in die Schlucht wacht. Ein recht
imposantes Bild, welches man wohl nur von Rumänien aus so auf sich wirken
lassen kann. Allzu lange können wir hier jedoch nicht rasten oder gar eine
Siesta machen: Wir haben nämlich keine Getränke mehr und die Sonne knallt auf
uns herab. Außerdem verliert man bei so starkem Gegenwind noch mehr Flüssigkeit
als sonst schon über die Atemluft und hat so ständig Durst.
Doch das Probleme ist uns in diesem Moment egal, auch alle noch so langweiligen
Abschnitte unsere Tour, alle Irrfahrten im Verkehrschaos von Budapest und
Belgrad sind vergessen: Wir fahren in die beeindruckteste Naturlandschaft
unserer Tour ein: Das Donaudurchbruchstal des Eisernen Tors. Auf einer Straße
mit perfektem Asphalt, die aber außer uns kein Mensch nutzt, radeln wir an
steilen Felshängen vorbei. Nur die Straße findet zwischen den manchmal
bewaldeten, andermal schroffen Bergen und der schmalen und schnellen Donau
ihren Weg. Es ist ein – im wahrsten Sinne des Wortes – unbeschreibliches
Ambiente: diese Ruhe und Einsamkeit, die Nähe zum Strom, die hohen Felsen und
immer wieder Bauten aus längst vergangenen Tagen wie dem Kloster Manastirea
oder den Cetatii Tricole, habsburgische Zolltürme, die nach wie vor aus den
Fluten ragen. Es waren mal drei, heute stehen noch zwei.
Auf der anderen Flussseite, im Schatten und immer wieder in
Tunneln verschwindend können wir die starkbefahrene Alternativroute durch den
Donaudurchbruch sehen, aber nicht hören, denn auch wenn das andere Ufer nah
scheint, ist es doch viel weiter weg und Straßenlärm dringt nicht bis zu uns.
Auch wenn es langsam spät wird, machen wir noch einmal Pause und klettern von
unserer Straße zum Fluss hinab, halten die Füße ins Wasser und sind einfach nur
glücklich hier zu sein. Ein paar Angler sind unsere einzigen Zeugen.
Immer wieder kommen wir an kleinen Dörfern vorbei, doch
Einkaufsmöglichkeiten finden wir keine und somit haben wir auch weiterhin nichts
zum trinken. Vermutlich verdurstet man nicht am Ufer, des größten europäischen
Flusses, der pro Sekunde 6.000 m³ Wasser an uns vorbeidrückt, aber abgefüllt in
Flaschen, vielleicht auch mit Kohlensäure und eventuell etwas Geschmack ist uns
doch lieber. In einem weiteren malerischen Örtchen beschließen wir daher uns zu
informieren und den Erstbesten zu fragen. So ein Schritt will jetzt gut
überlegt sein: Die Dorfstraße des auserwählten Ortes führt brutal steil den
Berg hinauf aus dem Tal und allzu oft möchte man so einen Abstecher nicht
umsonst machen. Aber an einem Pfirsichbaum mit reifen Früchten kann man auch
den ersten Durst stillen und weitere Motivation sammeln.
Wir erregen schnell aufsehen und als ich meine leere Wasserflasche
zeige, um so den Weg zum nächsten Laden zu erfahren, ist ein Bauer so
hilfsbereit und füllt mir die Flasche mit Brunnenwasser ab. Trinken würden wir
es nicht, doch das lasse ich mir nicht anmerken und da der Mann sichtlich froh
war uns geholfen zuhaben, will ich ihn auch nicht weiter nach dem Weg zu einer
alternativen Wasserversorgung „fragen“. Wir versuchen einen Dorfplatz oder die
Kirche zu finden, irgendwo müssen die Leute ja auch Lebensmittel bekommen
können. Es kann ja nicht jeder ein Selbstversorger sein, so wie unser
Gemüsebauer mit dem Brunnen. Doch immer wieder enden steile Straßen in einem
Bauernhof oder auch auf dem Friedhof. Doch plötzlich sehen wir an der Wand
eines Hauses die Schrift: „Complex commercial“. Unsere alten Lateinkenntnisse
sagen uns, dass man hier Geld für irgendetwas ausgeben kann. Im Idealfall: Getränke,
in Flaschen, mit Kohlensäure und Geschmack. Und tatsächlich: Ein
Lebensmittelladen, Komplex ist vielleicht ein wenig übertrieben, mit allem was
uns glücklich macht. Viele Regale sind schon leer oder waren vielleicht auch
nie voll. Mit unseren umgerechneten 100 Euro könnten wir den Laden komplett leer
kaufen. Wir halten uns zurück und sind dankbar für eine Tüte Nudeln, Soße, Limo
und Wasser. Jetzt haben wir alles was wir wollten und die Suche nach einem
Nachtlager kann beginnen.
Wir wollen aber noch ein Stück an der Donau weiterfahren. Ein
paar Kilometer weiter soll sich ein Zeltplatz befinden. Die Abfahrt durch das
Dorf, hinab zu unserer Donau wurde nichts so angenehm wie anzunehmen gewesen
wäre. Ein Hund lauerte uns plötzlich auf, hinauf hätte er es deutlich leichter
gehabt, und greift uns an. Leise hatte er sich angepirscht, bemerkt haben wir
in erst, als er neben uns stand und anfing zu bellen. Auf der Flucht erwischte
er noch meine hintere Gepäckträgertasche mit einem beherzten Biss. Zu mehr kam
er nicht, Hangabtriebskraft sei Dank. Eine Kurve weiter drehte der nächste Hund
frei, überschlug sich aber selber bei dem Versuch uns zu beeindrucken. Man wo
kamen die Viecher denn auf einmal alle her und warum sind wir auf einmal ihre
Zielscheibe? Und was wäre wenn ich oder Konrad von einem gebissen worden wäre?
Adrenalingeladen kommen wir zurück auf die leere
Hauptstraße. Es sollten bei weitem nicht die letzten Begegnungen mit den
Kläffern für diesen Tag gewesen sein. Die Straße wurde nun immer schlechter.
Der erste Abschnitt war perfekt asphaltiert gewesen, weil er nigelnagelneu (Ja
man schreibt es so) war. Doch mehr als die ersten 20 Kilometer hat die
Wanderbaustellen noch nicht geschafft. Von nun an rollen wir immer mehr auf
Kies und Staub. Tief Luft holen heißt es da, wenn wir doch einmal einem Auto
begegnen.
Wenn man mit dem Rad
durch ein fremdes Land fährt, dann macht man es auch um fremde Kulturen und
Lebensweisen kennen zu lernen. Und jeden Tag sieht man etwas Neues, erfährt
etwas Unerwartetes und lernt dazu:
Heute lernen wir, wie man in Rumänien seine Baustellenmaschinen
vor Diebstahl oder Sabotage schützt: Man nehme sich eine Hundebande irgendwo
her und siedele sie direkt an der zu bewachenden Maschine an. Dort füttert man
sie so oft, bis die die treuen Söldner es als ihr Revier begriffen haben und
dann, wenn es langsam Abend wird und zwei abgerackerte Radfahrer die Straße
entlang fahren und nichts ahnend sich der Baustelle nähern, attackieren sie
diese und vertreiben den Feind, auch wenn er garnichts Böses im Sinn hatte. Auf
Kies den Biestern davon zufahren ist nun schon weit anspruchsvoller als die
Abfahrtsflucht auf Asphalt. Wir meistern an diesem Abend noch drei weitere
dieser Aufgaben. Aber selbstverständlich ist das nicht. Ich weiß nicht, wie
vielleicht ältere Radreisende hier davon kommen, wenn sie es nicht schaffen auf
40km/h unter diesen Bedingungen zu beschleunigen und dann auch nicht auf dem
Geröll stürzen. Ungeschoren jedenfalls nicht.
Es wird schon dunkel als wir der Straße hinauf ins Dorf
Dubova folgen. Wir sind ganz nah an der engsten Stelle des Donaudurchbruches.
Hier stehen die Felsen besonders steil im Wasser und die Straße muss über den
Berg führen. Oben angekommen versuchen wir den Zeltplatz zu finden, den es hier
geben soll. Ein paar ältere Leute genießen den Abend auf einer Bank und
unterhalten sich, als Konrad sie nach dem Weg fragt. Konrad kann – soweit ich
weiß - kein Rumänisch und hier kann auch eigentlich keiner Englisch oder
Deutsch, dennoch erfährt er irgendwie eine Wegbeschreibung zum Zeltplatz. Eine
steile Straße hinab an die Donau und dann immer rechts halten und da soll er
sein.
Wir kommen wieder an einer Art aufgestauten See heraus. Wir
sind kurz hinter der engsten Stelle und ein paar hundert Meter weiter wird es
wieder recht gepresst zwischen den Felsen, aber hier hat sich eben diese Art
See gebildet. Das Wasser ist ganz friedlich, sogar kleine Schiffe könnten
anlegen. Wir folgen der Wegbeschreibung weiter am Ufer des “Sees“, beobachtet
und verfolgt von einer weiteren Hundebande und gelangen an die Anlegestelle
eines Hausbootes. Ein Schild weißt den kurzen Weg in die Lichtung des dichten
angrenzenden Waldes. Wir sind direkt am Donaudurchbruch, so nah, dass wir
nichts davon sehen können, weil der Weg hier endet.
Es ist nun schon dunkel, ein kleiner Hund steht bei uns auf
der Lichtung. Er scheint friedlich gesinnt zu sein. Hier ist der deklarierte
Zeltplatz. Also eine einfache freie Fläche im Gehölz, wo man sein Zelt aufbauen
kann. Mehr nicht. Aus dem Wald hören wir Gefauche und Gebelle anderer Hunde.
Oder von Wölfe. Oder Bären. Alles kann es hier geben. Es ist unheimlich. Es ist
kein schöner Ort zum zelten. Wir gehen zurück ans Wasser zu dem Hausboot, der
kleine Hund begleitet uns und schlagen unser Lager direkt unter einem Baum, auf
einer kleinen Wiese auf. Damit wird hier gewiss keiner ein Problem haben.
Der Besitzer des Hausbootes bemerkt und rasch und wir
kommen ins Gespräch. Er heißt Daniel, ist Grenzbeamter hier an der
EU-Außengrenze zu Serbien und wohnt scheinbar allein auf dem Boot. Er schmeißt
den Generator an und beleuchtet mit einem Scheinwerfer unser Lager. Das ist
ziemlich hilfreich, da es in stockdunkler Nacht schwierig ist ein Zelt aufzubauen,
den Kocher herzustellen und alles bereit für die Nacht zu machen. Daniel hat
eine Katze namens Tom, die alsbald zu ihm kommt und nach Abendbrot verlangt. Es
muss ein hartes Leben für eine Katze, hier mit all den Hunden, sein.
Unser kleiner Hund hat sich an den Eingang des Zeltes
gelegt. Er sucht immer wieder den Kontakt und steht eindeutig auf unserer Seite
im Vergleich zu all den anderen Mistviechern heute.
Am Abend passiert mir noch ein Malheur: Beim Abwaschen
unserer Teller und des Topfes im Flusswasser, rutsche ich von den Steinen und
falle in die Donau. Komplett. Konrad und Daniel lachen sich über mein
Missgeschick lautstark kaputt. Kein Gedanke daran, mir aus dem kalten Wasser zu
helfen. Mir bleibt nichts anderes übrig, dieser Sache auch das witzige
abzugewinnen, die Wut zu verdrängen und mit zulachen. Dummerweise hatte ich aber
mein Handy dabei in der Hosentasche. Abends mache ich immer an um zu erfahren,
wer sich um mich sorgt, so auch heute und hab es dann in die Tasche gesteckt.
Es gibt von nun an kein Lebenszeichen mehr von sich.
Fazit des Tages: Tolle Landschaft am Donaudurchbruch und
böse Hunde, außer unserer, überall. Das Pfefferspray bleibt heute Nacht in
Griffweite.
#19
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Dienstag, 02.09.2008
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Donaudurchbruch (Dubova) - Drobeta-Turnu Severin - Crivina
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94,4 km
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5:05 h
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av. V = 18,5 km/h
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↗ 412 hm
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↘391 hm
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av. P = 60 W
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17°C - 38°C, sonnig
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52 RON (Leu/Lew)
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Der Morgen beginnt mit der Diskussion wie spät es ist. Ein
Blick auf die Uhr reicht heute nicht aus, denn seit wir in Rumänien sind, sind
wir auch eine Zeitzone weiter östlich. Also schon eine Stunde später als auf
der Uhr. Konrad sieht es nicht ein, an dieser willkürlich gezogenen Zeitgrenze
eine neue Zeitrechnung zu beginnen. Hätte es den Einfluss auf unsere weitere
Reise, richten wir uns überhaupt nach der Uhr, ist es nicht völlig egal wie
spät es ist? Der Tag beginnt mit dem Sonnenaufgang und endet, wenn die Nacht
hereinbricht. Es ist völlig egal ob das um 19 Uhr oder 20 Uhr passiert. Die
Zeit ist relativ, wenn es in Deutschland 19 Uhr ist und hier in Rumänien 20
Uhr, dann ist dennoch derselbe Augenblick. Die Worte in einem Telefonat –
sofern man Handy ohne Wasserschaden hat - verharren nicht eine Stunde in der
Leitung bis die Zeit bei Anrufer und Angerufenem gleich ist. Es ist scheißegal.
Eigentlich. Aber sobald man in Kontakt mit Menschen tritt und sei es nur um
Öffnungszeiten des nächsten Ladens zu erfragen, muss man sich auf einen
einheitlichen Zeitbezug einigen. Und der ist in Deutschland und Serbien gleich,
nicht aber in Rumänien. Da wir uns nicht einigen können, sprechen wir von nun
an von 7 Uhr rumänischer Zeit und 8 Uhr serbisch-deutscher Zeit. Nach diesem
Beschluss stehen wir auf.
Die ganze Nacht über hat uns unser kleiner Hund bewacht.
Immer wieder hat er andere Hunde vertrieben oder sie gar bekämpft. Das ein oder
andere Mal dachte ich schon, den Geräuschen nach zu schließen, er sei im Kampf
gefallen. Doch am nächsten Morgen begrüßte er uns am Eingang des Zeltes. Er
wedelte mit dem Schwanz und freute sich uns zu sehen. Eine treue Seele und das
ganz ohne Gegenleistung. Wir haben leider keine Belohnung für ihn.
Ich ziehe meine nassen Klamotten an, über Nacht sind sie
nicht getrocknet und auch am morgen scheint noch kein Sonnenstrahl in diese
enge Schlucht. Daniel hat heute Morgen seine Grenzpolizeiuniform an und ein
Kollege ist auch bei ihm. Sie kommen zu uns rüber und wollen irgendetwas sehen.
Sie schauen sich gezielt um. Daniel findet das englische Wort nicht um
auszudrücken, was er meint, Konrad kann wirklich kein rumänisch und so wissen
wir nicht was sie wollen. Nach einem Augenblick sehe ich in Daniel nicht mehr
den lustigen Gesprächspartner von gestern Abend, sondern nur noch seine
Uniform. Ich zeige ihm unsere Reisepässe, vielleicht will er ja die sehen? Da lacht er nur, die sind ihm
egal. Schließlich findet er, was er sucht: unsere Landkarten. Er zeigt uns, wo Rumänien liegt und wo das verhasste Serbien
ist und wo unsere Heimat, Deutschland, sein muss. Er zeigt uns ein Städtchen in
Bayern, wo er mal eine Zeit lang bei seiner
Schwester gewohnt hat. Alle Menschen die wir treffen, waren irgendwann einmal
eine Weile in Deutschland.
Als wir Dubova verlassen, versucht unser kleiner
Beschützerhund noch eine ganze Weile uns zu folgen. Letztendlich vergeblich,
kein Hund kann uns folgen. Es bricht uns das Herz, als wir noch einmal
zurückblicken und er dort ganz traurig sitzt und uns nach sieht. Wir werden ihn
sicher nie vergessen.
Als wir das Dorf endgültig verlassen haben, wird endlich
die Sicht auf die engste Donaustelle frei. Es ist beeindruckend, wie die manchmal kilometerbreite Donau hier auf einen Steinwurf
weit zusammengepresst wird.
Gleich hinter dem nächsten Flussbogen erwartet uns die
nächste Sehenswürdigkeit: Der Decebalus
Rex, ein Monument in Stein gehauen, 40 Meter hoch und 25 Meter breit, es zeigt den
Kopf des letzten Königs von Dakien, dem heutigen Rumänien. Sein Name heißt
übrigens „so stark wie zehn Männer“ und er herrschte hier bis 106 n. Chr., als die Römer kamen.
Etwa 10 Kilometer später, im Örtchen Eşelniţa,
finden wir endlich den nächsten Laden, in dem wir Frühstück kaufen können. Drei
Brote essen wir an diesem Morgen, ein neuer Rekord. Das Radfahren und die frische Luft machen richtig
hungrig. Wir sitzen hier eine Weile in der Vormittagssonne, heute fehlt der
nötige Antrieb, vorwärts zukommen.
Außerdem hat so eine langweilige Dorfstraße überraschend viel, was man
beobachten kann: Drei Bauarbeiter kommen zum Beispiel mit ihrem
Baustellenfahrzeug an. Beim Aussteigen hat der Fahrer noch einen Songtext auf
den Lippen, den er wohl gerade noch im Autoradio volle Bulle gehört hat: “Raz
dva tri, Moskau, Posmotri, Pioneri tam idyt, Pesni leniny pojut“. Das kennen
wir doch. Irgendetwas sagen uns diese russischen Worte. Wie bei einer Melodie,
die man mit einem besonderen Augenblick verbindet, versuchen meine Neuronen im
Großhirn auch jetzt blitzschnell eine Verbindung aufzubauen… Heureka, genau
jetzt habe ich es: Es ist Rammstein, Deutschlands erfolgreichster Musikexport. Auch
hier in Rumänien bestens bekannt. Heimatgefühle kommen dennoch nicht auf. Zwei
Hunde unterhalten uns da schon besser: Einen geilen Rüden gelüstet es nach einer unwillige
Hündin. Es ist ein unterhaltsames Spektakulum zu beobachten, wie der Hund immer
wieder versucht, sie zu besteigen und
sie sich geschickt wegdreht. Doch der Hund gibt keines Falls auf, er versucht
es immer und immer wieder. Er gibt nicht auf. Und was ist die Moral der
Geschichte? ;-) Leider haben wir das „Happy End“ dieser Liebesgeschichte nicht
mehr mit erlebt. Durch rumsitzen und Sexualfeldstudien bei hundeartigen
Landwirbeltieren kommt man nämlich nicht
den nächsten Berg hoch.
Hinter besagtem Berg liegt die Stadt Orşova. Bei Orşova
ist die Donau wieder unheimlich breit, zwar immer noch im Donaudurchbruchstal
eingeklemmt, aber durch das Donaukraftwerkes SIP zehn Kilometer flussabwärts am
Eisernen Tor mächtig aufgestaut. Damals,
als das Kraftwerk 1971 gebaut wurde und mit der damit verbundenen Anhebung des
Wasserspiegels, mussten die Bewohner umgesiedelt werden und das neue Orşova
entstand. Unwiederbringlich verloren ging hingegen die Insel Ada Kaleh inmitten
der Donau. Die Insel war insofern besonders, als sie bis ins 20. Jahrhundert hinein eine
übriggebliebene türkische Enklave aus jenen Zeiten war, als die Türken noch
über den Balkan herrschten und bis zum Untergang der Insel Ada Kaleh lebten auf
ihr Muslime. Sie hatten hier ihre eigene Moschee, ein paar Kaffeehäuser, eine
als uneinnehmbar geltende Festung und einen türkischen Basar, außerdem musste
man keine Steuern zahlen und so florierte der Handel mit Tabak und Schmuck. Leider
kommen wir für diese kulturelle Sehenswürdigkeit eben knapp 40 Jahre zu spät.
Die Insel mit ihrer romantischen Geschichte ist versunken.
Als wir Orşova verlassen, gibt es eine gute und eine schlechte
Nachricht. Zum einen haben wir unseren 2. Megameter, also 2000 Kilometer
geschafft und haben Grund zum Feiern, zum anderen müssen wir von nun an aber
einer sehr stark befahrenen Transitstraße folgen. Es gibt für die nächsten 25
Kilometer keine Alternative. Am Anfang fahren wir noch auf einem 30 Zentimeter
breiten Fußweg, doch der endet alsbald und wir müssen uns zwischen die Autos
begeben. Immer wieder kommen unbeleuchtete Tunnel wo wir uns sehr unwohl fühlen! Eben noch einsame Dorfstraße - nun
pulsierende Hauptmagistrale. Immer wieder ist an Baustellenampeln Stau, wir
rollen an der qualmenden Kolonne vorbei und werden von vielen Autos so mehrfach
überholt. Ganz zum Ärger dieser, da die Straße nur recht schmal ist.
Etwa auf der Hälfte des unangenehmen Straßenabschnittes
liegt nun das gigantische Wasserkraftwerk SIP, ein gemeinsames Bauprojekt von
Rumänien und dem ehemaligen Jugoslawien. Photographieren ist hier streng
verboten und überall ist Schutzpersonal und Videoüberwachung. Weiter geht’s
nach Drobeta Turnu Severin, der größten Stadt der Gegend mit über 100.000
Einwohnern.
Wir fahren ein wenig durch die Stadt, auf der Suche nach
Filmen für unseren Fotoapparat. Drobeta Turnu Severin zeigt die facettenreiche
rumänische Baukunst, schöne geschwungene Kirchen, ein kunstvoller Wasserturm
und eine Prägung die noch aus der Römer- und Dakerzeit herrührt. Den
Namenszusatz Drobeta erhielt Turnu-Severin erst mit dem Bau des großen
Staudammes. Er soll an die römischen Ursprünge erinnern. Hier lag nämlich deren Stadt Drobeta. Von der
aus Kaiser Tranjan zur Logistikunterstützung seiner Feldzüge eine Brücke ins
heutige Serbien hinüber bauen ließ. Die Trajansbrücke war die erste dauerhafte
Brücke über die untere Donau. Sie war -sowohl hinsichtlich ihrer Gesamtlänge, als auch ihrer Bogenspannweiten - über eintausend Jahre die längste Brücke der Welt.
Leider wurde sie von einem späteren Nachfolger Trajans, der hier nicht genannt
werden will, aus Neid zerstört. Noch heute findet man auf dem Grund der Donau
aber ihre Fundamente. Die Pfeiler waren
auch aus Stein, die zwanzig Bögen aus Holz und an den beiden Enden der Brücke
sollen Triumphbögen gestanden haben. Früher!
Heute zeigt die Stadt aber auch
ihre andere nichts so schöne Seite: hässliche Plattenbauten säumen die zum Teil
völlig zerstörte Straßen, dazwischen leben scheinbar selbstständig Hühner und
Schweine.
Kurz vor dem Ortsausgang können wir nun die Europastraße 70
verlassen und etwas ruhiger weiter fahren. Auf einem schnurrgeraden Fahrweg,
der auch noch etwas erhöht auf einem Deich liegt, bläst uns dafür gnadenlos der
Wind entgegen. Wir sind ziemlich kaputt, schon am morgen wäre ich am liebsten
beim Frühstücken einfach sitzen geblieben, die unruhige letzte Nacht mit den
ganzen Hunden steckt uns noch in den Knochen und nun der Gegenwind – er saugt
uns die letzen Kräfte aus. Wir beschließen, heute mal über den Nachmittag hinweg eine
Siesta zumachen, uns Erholung zu bieten bis der Wind nachlässt. Wir legen uns
fernab der Straße unter einen Strauch direkt an die Donau. Der Fluss hat schon
eine Weile das Donaudurchbruchstal verlassen und fläzt sich hier in einer außerordentlichen
Breite in die Landschaft. Man meint an einem großen See zu liegen. Keine
Strömung ist wahrnehmbar. Das Wasser ist klar und der Boden sandig.
Wir dösen eine Weile vor uns hin, der Wind treibt die
Wolkenbilder über das endlose Land, Konrad liest etwas, das Wasser plätschert
ruhig und monoton vor sich hin, ich schlafe ein und träume sogar ein wenig.
Vielleicht hätten wir hier bis zum Abend gelegen und wären nur nochmal zum Zelt
aufbauen aktiv geworden, doch plötzlich endet der stille Frieden mit lautem und
schnell näherkommendem Gekläffe. Wir sind von einer Sekunde auf die andere hell
wach und ich suche verzweifelt nach dem Pfefferspray. Hätte der Zigeunervater* seinen Hund nicht
zurückgepfiffen, wäre uns wohl nichts anderes übrig geblieben und wir wären in
die Donau gesprungen und weggewatet. Aber der Hund hört auf seinen
Besitzer. Zum ersten Mal sehen wir einen
Zigeunertrekk*. Alles Hab und Gut ist auf einen Pferdewagen gepackt. Die Familie hat wohl auch gerade eine Pause
gemacht. Sie ziehen so schnell weiter,
dass man fast denkt, man hätte noch
geträumt. Wir hoffen, diese Volksgruppe
noch öfter in Rumänien zu sehen: Unser
Interesse an ihrem Nomadenleben ist groß.
Wieder hellwach , ziehen wir weiter. Die Straßen werden
immer schlechter und hinter dem Dorf Tismana für Autos unzumutbar. So fahren
wir allein durch die endlose Weite der Walachei. Kilometer weit sind alleine
die großen Bäume eine einzige Abwechslung zur natürlichen Steppenvegetation.
Riesige Vogelschwärme fliegen unter lauten Flügelschlägen auf, wenn wir unter
einem ihrer Bäume durchfahren. Einziges Highlight ist ein Brunnen der auf
einmal am Weg steht. Er funktioniert noch und sein Wasser ist so klar, dass man
es vermutlich auch trinken könnte. Wir duschen uns aber stattdessen den Staub
von den Körpern und erfrischen uns vor der Weiterfahrt. Das Wasser ist so
angenehm kühl in der sengenden Hitze, dass die Verlockung wieder riesengroß
ist, einfach hier zu bleiben.
Viel weiter fahren wir auch nicht mehr. Noch durch zwei
urige Dörfer, in den man denken könnte, dass man noch im 19. Jahrhundert lebt.
In einem müssen wir uns nochmal einer Hundebande stellen. Die Taktik haben wir
ein wenig modifiziert: Wir fahren nicht mehr, sondern schieben die Fahrräder
als Schutzschilde neben uns her. Einer nimmt das schwere Eisenkettenschloss als
Dreschflegel, der andere das noch immer jungfräuliche Pfefferspray. Aus voller
Fahrt sind beide Waffen quasi untauglich. Langsam schieben wir Legionäre uns an
der feindlichen Armee vorbei, auch sie zeigen uns ihre Waffen, die gefletschten
Zähne. Wir haben beide ziemlich Schiss, weil man es mit sieben Hunden zwar
aufnehmen könnte, aber wir dennoch nicht schadlos einen solchen Kampfplatz
verlassen würden. Bis zur nächsten Tetanus- und Tollwutimpfstelle wäre es sicher ein
weiter Weg. Wir sind hier in der Walachei. Zu mehr als diesem Säbelrasseln
kommt es aber nicht, die Hunde greifen
nicht an. Vielleicht erinnern wie sie nun - so langsam die Fahrräder schiebend
- mehr an normale, schwerbeladene Dorfbewohner als an Feinde des Haus und
Hofes.
Bis zu einem steilen Anstieg auf den wir beide keinen Bock
mehr haben, fahren wir noch weiter. Vermutlich müsste man da sogar
hochschieben, da die Räder auf dem losen Untergrund zu wenig Halt hätten. Wir biegen
einen kleinen Weg direkt zu einer Wiese an der Donau kurz hinter Crivina ab.
Nach dem Zeltaufbauen, dem Abendnudeln kochen, der
provisorischen Katzenwäsche in der Donau und dem in die Schlafsäcke kriechen,
passiert heute nur noch eine Begebenheit. Es ist schon stockfinster, als
Taschenlampenkegel unser Zelt von außen beleuchten. Wer wird das sein? Was will
der von uns? Das Pfefferspray wird wieder wild gesucht. Dann klopft dieser
Jemand sogar an das Zelt und spricht uns an. Erst auf rumänisch, dann auf englisch:
Es ist die Poliţia de frontieră română, die rumänische
Grenzpolizei. Leute wie Daniel, nur dass diese beiden sich sehr für unsere
Pässe interessieren. Wir werden auch in einem Büchlein vermerkt, mit all
unseren Daten die sich in dem Pass so befinden. Die Polizisten waren sehr
freundlich, erklärten, sie müssen das
zum Schutze der EU machen, auf der anderen Flussseite sei ja Serbien und damit EU-Ausland. Sie
entschuldigen sich für die Unannehmlichkeiten, Wünschen uns eine gute Nacht und
gehen wieder.
Es ist ein traumhaft schöner Abend, der Himmel war niemals
zuvor so reich an Sternen. Auf der anderen, weit entfernten Seite der Donau
liegt ein kleines Dorf, man sieht nur die Lichter. Hundebellen tönt ganz leise
herüber. Ich empfinde es in diesem Moment nicht als störend, eher im Gegenteil.
Am Waldesrand, nicht weit von uns, hören
wir ein paar Pferde- oder Eselskarren durch die Dunkelheit fahren. Es
sind wieder Zigeuner* die abseits der großen Straßen auf einem nur ihnen
bekannten Wegenetz durch die Lande reisen.
Fast könnte man sie für diese Freiheit beneiden.
*) Politisch korrekt ist nicht der Begriff Zigeuner, sondern Roma. Da wir aber keine rassistischen oder diskriminierenden
Vorurteile pflegen, eher das Gegenteil mit solchen Reisen leben, erlauben wir
uns das wohl bekanntere Wort Zigeuner
auch weiterhin zu verwenden.
#20
|
Mittwoch, 03.09.2008
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Crivina - Maglavit - Rast
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130,0 km
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6:20 h
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av. V = 20,5 km/h
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↗ 283 hm
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↘272 hm
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av. P = 60 W
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18°C - 34°C, sonnig
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41 RON (Leu/Lew)
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Heute überlasse
ich wieder einmal Konrads Tagebuch das Wort. Vorhang auf. voilà:
„3.9.2008 20.
Tag Von ? bis Rast
Es war wirklich eine gute Nacht. Geweckt werden wir von
Kuhglockengeläut. Wir stecken unsere Köpfe aus dem Zelt und sind umzingelt von
Kühen. Ein kleiner Junge treibt sie die Donau entlang und an unserem Zelt
vorbei. Sowas erlebt kein Pauschaltourist, dass ist das urige Rumänien, was man
nur mit dem Zelt erleben kann.
Vor dem Frühstück wartet noch der Berg, vordem wir gestern
gekniffen haben. Also die Kette ganz links, auf dem leichtestem Ritzel geht es
den Anstieg hoch und sind schon, bevor es überhaupt Frühstück gab, total
durchgeschwitzt. Wenigstens gibt es im nächsten Dorf, Burila Mare, einen Laden,
hier “Magazin“ genannt. Da der Bäcker noch keine Brote in diesen Dorf gebracht
hat, kaufen wir einen brotgroßen, eingeschweißten Kuchen. Mh, er schmeckt
trocken und irgendwie staubig. Und dann sehe ich es… Schimmel ! Wir haben einen
durch und durch verschimmeltes Kuchenbrot gegessen. Also geht es sofort wieder
rein in den Laden und Regressforderungen gegen die Ladenbesitzerin geltend
gemacht. Alles was Recht ist. Man
verweist mich auf das noch nicht abgelaufene Mindesthaltbarkeitsdatum. Auch die
anderen Kuchenbrote im Laden sind alle verschimmelt. Man versteht meine
Forderung nach Rückerstattung des Kaufpreises nicht, resigniert dann am Ende
aber doch und zahlt uns aus.
Wir fahren noch immer ein wenig hungrig, aber dennoch
glücklich weiter. Das Wetter ist wie immer gut und die Landschaft wirkt wie
einer Zeitreise entsprungen. Genau deswegen machen wir diese Tour. Frühstück
finden wir etwas später im nächsten Dorf. Der Laden ist noch im Bau, aber man
freut sich so sehr, dass wir hier sind und Frühstück einkaufen, dass man uns
noch reichlich mit Obst beschenkt. Das gekaufte Dosenfleisch (Stefan denkt es
sind Innereien) essen wir aber nicht auf. Wir sind nicht die einzigen auf der
Baustelle, andere Dorfbewohner treffen sich hier zum Plausch.
Bei der Weiterfahr kommen uns immer wieder mit voll
beladene Pferdewagen mit Mais und anderem Getreide entgegen. Nach ein paar
Kilometern kommt ein als “Spießrutenlauf“ im bikeline-Reiseführer bezeichnete
Abschnitt. Er ist es auch. Plötzlich auftauchende Schlaglöcher, tief und
manchmal unausweichbar. Und das obwohl mir doch schon eine Speiche gebrochen
ist und fehlt. Am Ende bleibt aber alles ganz. Einen letzten Blick können wir
nun zwischen zwei Hügeln hindurch und über die Donau hinweg auf Serbien richten.
Von nun an liegt Bulgarien auf der
anderen Seite des ständigen Grenzflusses.
Wir optimieren heute die Route des bikeline-Reiseführers
und sparen uns 20 Kilometer und die Stadt Calafat. Wir fahren fast ganz allein
auf der Straße. Dabei überholen wir einen Mann, der in die gleiche Richtung
läuft wie wir, nur dass er für die 12 Kilometer bis zum nächsten Dorf ein klein
wenig länger brauchen wird. Wo will er überhaupt hin? Und was macht er dann da?
Fragen die man sich in Rumänien oft stellt. Die Leute haben hier scheinbar viel
mehr Zeit.
In Rast entscheiden wir uns wieder an die Donau zufahren (Man fährt fast immer kilometerweit entfernt
zur Donau, es gibt keine Straßen direkt in Ufernähe) und wieder wild zu
campen. Wir landen in einem Urwald. Ein kleiner Seitenarm der Donau trennt uns
vom wilden Dschungel. Der einzige Fleck wo das Zelt im Gewucher Platz findet,
liegt direkt an der Klippe. Steil geht es 5 Meter nach unten. So zelten wir
halb auf dem Weg, halb in der Donau. Einmal fährt ein Auto mit Jugendlichen an
uns vorbei. Wir vollführen kläglich unsere Abendwäsche, da man zum Fluss die
Klippe hinunter muss und dort dann knietief im Flussschlamm versinkt. Später
langweilen wir uns. Außer Wald ist nichts zusehen und außer Hunden nichts
zuhören. Verdammt sind die hier überall? Wir verkriechen uns ins Zelt, das
Pfefferspray immer bereit. Wieder passiert uns nix, man lässt uns in Ruhe.
Mein Handy erwacht
nach 2 Tagen der Totenstarre plötzlich wieder zum Leben und funktioniert wie
früher. Donauwasser scheint nicht so schlimm zu sein.
#21
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Donnerstag, 04.09.2008
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Rast - Bechet - Corabia - Turnu Măgurele
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140,9 km
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6:24 h
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av.
V = 21,9 km/h
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↗ 136 hm
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↘147 hm
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av. P = 80 W
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13°C - 39°C, sonnig und heiß
|
46 RON (Leu/Lew)
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Wir stehen recht zeitig auf, schieben die Fahrräder aus dem
Wald, kommen an einer Baustelle vorbei, werden daher von Hunden attackiert und
radeln los.
Im Örtchen Rast
kaufen wir uns Frühstück und setzen uns vor dem Laden auf eine Bank in die
Morgensonne. Schnell werden wir zum Gesprächsthema in und um den Laden herum.
Ein Mann, der auch ein wenig deutsch spricht, interessiert sich sehr für unsere Reise und
fragt uns Löcher in den Bauch. Das schmeichelt uns natürlich sehr, er hat auch
ein paar Tipps für uns auf Lager, als wir ihm unseren weiteren Routenverlauf
erklären. Wir wollten in Corabia die Fähre hinüber nach Bulgarien nehmen. Er
meint wir sollten unbedingt schon 50
Kilometer eher die Fähre in Bechet nutzen. Begründen tut er diesen Ratschlag
aber nicht. Daher bleiben wir bei unserem Plan und können so noch 50 Kilometer
länger in einem der schönsten Länder Europas bleiben.
Wir könnten heute auch auf Autopilot schalten, den ganzen
Tag werden wir auf ein und derselben Straße noch knapp 120 Kilometer fahren.
Doch Fahrräder am Beginn des 21. Jahrhunderts haben noch keinen Autopilotmodus.
Flugzeuge ja, Fahrräder aber nicht. Uns so fahren wir immer und immer gerade
aus, jedes Dorf sieht gleich aus: Die bunten Häuser, mit ihren kleinen Säulen
und Verzierungen am Dach, die entlang der Straße gebaut sind, die Kirche, jedes
Dorf hat ein Denkmal für den rumänischen
Unabhängigkeitskrieg, es hat einen Laden für allerlei Lebensmittel, oft kaufen
wir eine leckere Pampelmusen-Limonade, die aus Moldawien importiert wird und
genauso wie die Fanta PinkGrapfruit des CocaCola-Konzernes schmeckt, die dieser
jedoch zu meinem Bedauern seit nunmehr 10 Jahren nicht mehr im Sortiment hat.
Zwischen den Dörfern ist in endloser Entfernung nichts zu
sehen, wenn der Linienbus nach Bukarest mal vorbeigeknallt kommt, sieht man
seine Staubwolke auch 10 Minuten später noch weit vor sich. Panait Istrati
beschrieb, wenn auch vor einem politischem Hintergrund, in seinen “Disteln des
Baragan“ das Gefühl das diese Landschaft in einem jeden erzeugt ganz treffend.
Seine Figur Matache träumt lange davon, den im Wind davon rollenden
Distelballen durch die Steppe hinterherzurennen. Völlig ziellos und unendlich
weit weg. Mit seinem Freund tut er es auch eines Tages und wird fürs erste
dadurch glücklich. Die Geschichte nimmt aber kein gutes Ende.
50 Kilometer oder 10 Dörfer nach Rast endet die
Eintönigkeit – Eintönigkeit aber nicht negativ gemeint, eher wie das Meer, was
ja auch bis zum Horizont gleich aussieht und dennoch Glücklich macht - an einer
Brücke. An der einzigen Brücke, über den Donauzufluss Jiu im Umkreis von 20
Kilometern. Die Brücke wird gerade gebaut und hat im Moment nicht mal eine
Fahrbahn, nur ein dünnes Brett für die Arbeiter verbindet die Pfeiler. Ein
Sperrschild verbietet die Weiterfahrt. Tolle Wurst. Wir überlegen eine ganze
Weile hin und her und spielen gedanklich alle Optionen durch. Variante A: Einen
Umweg von 40 Kilometer fahren. Diese Variante wird mit zwei Gegenstimmen, bei
keinem Dafür-Votum und keiner Enthaltung rigoros abgelehnt. Variante B: Durch
den Fluss gehen. Ich testete es aus, das Wasser war nicht zu tief, man müsste
die Fahrräder und das Gepäck einzeln rüber tragen und wäre eben eine Weile
beschäftigt. Konrad legt hierfür aber sein Vetorecht ein. Variante C: Wie die Bauarbeiter
auch das schmale Brett nutzen. Konrad beschließt für uns beide Variante C.
Langsam nähern wir uns ganz unauffällig der Baustelle, schauen den Arbeitern
ein wenig zu wie sie barfuß mit dem Presslufthammer zwischen ihren Füßen Beton
abhauen. Wir zählen ihre Zehen und nähern uns unserem Ziel. Die Arbeiter sind
freundlich – scheinbar hat heute noch keiner daneben gehackt - und machen uns
sogar Platz, als sie uns sehen, um über das Brett auf die andere Seite des
Flusses zugelangen. Die Bauarbeiter sind aus Bulgarien. Bulgarische Arbeiter
bauen also in Rumänien. Rumänische Arbeiter bauen in Deutschland. Deutsche
Radfahrer radeln durch Rumänien und bald auch Bulgarien. Global World.
In Bechet machen wir eine Eispause, der Getränkelieferant
der den Laden gerade beliefert, hatte seine Ladung nicht gesichert und so ist
alle Getränkekisten im LKW umgekippt und völlig durcheinander. Niemanden juckt
es. Wir überlegen nochmal kurz hier nach Bulgarien überzusetzten, halten aber
an unserem Plan fest. So fahren wir weiter. Nochmal 50 Kilometer auf derselben
Straße bis Corabia. Alle 1000 Meter steht ein großer Kilometerstein, auf ihm
immer die Streckenangabe bis zum nächsten Dorf und bis zur nächsten größeren
Stadt. In den Dörfern lassen die Leute immer alles stehen und liegen, wenn sie
uns sehen, die Kinder rennen an die Straße und wollen uns abklatschen und
jubeln uns zu. Wir fühlen uns wie Tour de France Helden und genießen die
Begeisterung. In jeder Ortschaft heißt
man uns willkommen.
Corabia selber wirkt sehr verfallen. Der Name klingt, wie
vieles in Rumänien, nach Latein oder zumindest spanisch oder italienisch. Das
hat auch seinen Grund: Frühere Seeleute sind nicht nur im Mittelmeer und im
Schwarzen Meer umher gesegelt, sondern haben auch Handel entlang der Donau
geführt. Einige fanden es hier so schön, oder ihr Schiff ist wie im Fall
Corabia gesunken, so dass sie für immer da geblieben sind.
Wir fahren die Straße an die Donau und suchen die Fähre,
doch wir sehen keine, nicht mal eine Anlegestelle ist zuerkennen. Man sagt uns
schließlich in Corabia gab es nie eine Fähre. Der bikeline-Reiseführer hat mal
wieder gelogen und falsches Zeug in seine Karte gemalt, ich bin
fuchsteufelswild und stinksauer. Im Affekt rufe ich mit meinem, wieder
auferstandenem, Handy aus Rumänien beim bikeline-Verlag an, beschwere mich und
lasse Dampf ab. So eine Sauerei, so ein mangelhafte Arbeit und dafür verlangen
sie auch noch Geld. Die Frau am anderen Ende irgendwo in Österreich gesteht
meine Beschuldigung. Der Verlag hat nicht wie beschrieben, die ganzen Infos
selber vor Ort recherchiert, sondern einfach im Internet gegoogelt. Ich lege
nach zig scheinheilgen Ausreden entnervt auf und verbanne den Reiseführer in
die Tiefen meiner Packtasche. Für immer. Der Man heute früh hatte recht. Mist.
In Turnu Măgurele, 35 Kilometer weiter, soll es (laut Reiseführer)
noch eine Fähre geben. Gebe es Gott. Trotzdem ein 70 Kilometer-Umweg.
Ein
freundlicher Mann hellt unsere Stimmung wieder auf. Wir saßen die ganze Zeit
auf der Bank vor seinem Haus, nun lädt er uns in seinen Garten ein um
Weintrauben zu essen. Wir sollen uns soviele pflücken wie wir wollen, er packt
uns außerdem noch einen großen Beutel voll. Bei einem Eis etwas später,
beschließen wir heute noch 20 Kilometer weiter zufahren und dann an einem
Zufluss zur Donau zu zelten. Während wir unsere neue Landkarte inspizieren,
läuft eine große Gänseherde völlig selbstständig über die Straße. Kennen die
etwa den Weg nach Hause?
Die letzen
Kilometer ziehen sich ewig hin, trotz des leichten Rückenwindes. Am besagten
Fluss Olt sind die wildcamping Bedingungen dafür dann hervorragend. Nicht so
ein Schlammloch wie gestern. Nein feinster Sandstrand. Direkt im Sand noch
bauen wir unser Zelt auf und beginnenden eingeschliffenen Abendablauf. Zelt
einräumen, Wertsachen verstauen, Fahrräder anschließen, nicht stinkige
Klamotten anziehen, Nudeln und Soße kochen und sich sowie das Geschirr waschen.
Seit Smederevo konnten wir nicht mehr
duschen. Seit 5 Tagen haben unsere Körper keine Seife mehr gefühlt, nicht das
ich darauf stolz wäre, aber es ist wohl ein Rekord in meinem Leben, zumal wir
ja jeden Tag ohne Ende schwitzen und durch staubiges Gelände fahren. Im Fluss
Olt baden wir aber mal richtig. Er ist so klar, nicht mal Algen wachsen in ihm.
Nur Wasser auf Sand. Dafür hat er eine ordentliche Strömung so dass man immer
in Ufernähe bleiben muss. Dagegen anschwimmen könnte man wohl nicht und wer
will schon vom Olt in die vielleicht 1,5 Kilometer breite Donau gespült
werden?
Beim
Abendessen wird es surreal: Kühe kommen den Strand entlang gelaufen. Wir sitzen
vorm Zelt am Strand und inmitten einer Rinderherde. Solange es keine Hunde
sind, ist alles super. Nur dass sie ständig ihre Fladen verlieren ist doof. So
wird der Weg zum Abwaschen am Fluss zu einem Marsch durch ein Minenfeld.
Drei Wochen
sind wir nun schon unterwegs. Wir sind in einer anderen Welt gelandet.
#22
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Freitag, 05.09.2008
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Turnu Măgurele - Corabia - Bechet - Kneža (BUL)
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133,1 km
|
6:36 h
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av.
V = 20,1 km/h
|
↗ 428 hm
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↘299 hm
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av. P = 100 W
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19°C - 37°C, sonnig und heiß
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67 RON (Leu) &
13 BGN (Lew)
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Der feine Sand von unserem Flusssandstrand hat sich überall
im Zelt und in dem Reisegepäck verteilt. Beim vorfrühstücklichen
Energieriegelverzehr knirscht der Sand sogar zwischen den Zähnen.
Bis Turnu Măgurele sind es nur noch wenige
Kilometer, die Straße ist sehr schlecht, wird aber gerade neu gebaut. Auf
beiden Fahrbahnseiten patrollieren Dampfwalzen und bringen so eine neue Schicht
Asphalt in Form. Ich denke in ein oder zwei Jahren könnte man auch theoretisch
vom Donaudurchbruch bis hierher mit dem Rennrad fahren. Dicke Bereifung ist
dann nicht mehr von Nöten, weil die Qualität der neuen Straßen, jener in
Deutschland in nichts nachsteht.
Die Stadt Turnu
Măgurele ist die erste größere Stadt seit Drobete Turnu-Severin und so
findet man hier auch gute Einkaufsmöglichkeiten. Das Bild dieeser Stadt
erinnert nicht mehr an die Weite der Walachei und die Zeitreise, welche man in
ihr zumachen scheint. In einem gepflegtem Park setzen wir uns auf eine Bank und
frühstücken wieder fürstlich. Wir haben alles gekauft, worauf wir Lust hatten.
Natürlich wieder die leckere Limo aus Moldawien, aber auch einen cremigen
Kuchen, Baguette, Marmelade und allerlei andere Leckereien. An diesem Morgen
laufen viele gut gekleidete Männer und Frauen an uns vorbei auf Arbeit. Von der
markanten Kirche hinter uns im Rücken ruft eine Art orthodoxer Muezzin mit
klangvoller Stimme melodische Worte. Ein Hauch von Orient, gemischt mit
Balkanstimmung, umweht uns. Dem Kirchturm ist eine Zwiebel-Kuppel aufgesetzt
und sein Baumeister hat ihm eine Dynamik verliehen, so dass der Turm in sich,
wie eine Spirale, verdreht ist.
Auf einem
Ostblock-Plattenweg fahren wir dann die zirka drei Kilometer bis zur Donau an
die Fähranlegestelle, vorbei an einer qualmenden Industrieanlage.
Alles ist gut,
bis auf diese eine Kleinigkeit: Es gibt hier keine Fähre. Es ist kein Schiff am
Wasser, was uns mit zum anderen Ufer nehmen könnte. Ein Schild verweist zwar
auf einen “Cross Border Check Point“ und ein “Ferry Boat to Nikopol
(Bulgaria)“, aber de facto ist beides hier nicht in der Realität zu finden. Erst
wollen wir es nicht glauben, fahren die Donau ein wenig in beide
Flussrichtungen auf und ab, doch schließlich begreifen wir, dass sowohl die
Informationen gestern aus Corabia, als auch der bikeline-Reiseführer mal wieder
falsch waren. Einen weiteren Anruf nach Österreich spar ich mir heute. Es hat
ja doch keinen Sinn. Wir sind am Boden zerstört und setzten uns an einen
Getränkestand, der hier für die Pause der Arbeiter der Industrieanlage
aufgestellt worden ist. Keiner kann uns
Infos über die Fähre, welche ja genau hier ab- und anlegen soll, geben. Wir
trinken etwas, sitzen rum, gucken unsere Karten an, sehen nochmal nachdem
Schild, was von einem Grenzpunkt und einer Fähre berichtet und vergleichen es
mit der Realität. Keine Fähre, nicht hier und nicht in Corabia, nur in Bechet
ist sicher eine.
Wenig später
gesellt sich ein weiterer Mann zu uns und erfährt von den Problemen die wir mit
unserem Routenverlauf haben. Er kann sehr gut englisch und klärt uns auf: Die
Fähre befindet sich gerade im Bau, aber sie wird schon bald wieder losfahren.
Wie bald? Heute Nachmittag? Vielleicht, sagt er, vielleicht aber auch erst
nächste Woche oder in einem Monat. Keiner weiß etwas. Er erklärt uns die
Alternativen, die wir haben. Eine weitere Fähre aus dem bikeline-Reiseführer,
etwa 40 Kilometer weiter existiert, seiner Meinung nach, nicht. Das wundert uns
nicht weiter, das Fährsymbol sitzt beim bikeline-Verlag bekannter Weise etwas
locker. Noch einmal 55 Kilometer weiter, als knapp 100 Kilometer von hier ist
eine Brücke in Giurgiu hinüber nach Ruse in Bulgarien. Ob Fahrräder sie
benutzen dürfen weiß er allerdings nicht. Wir könnten auch zurückfahren und in
Corabia die Fähre nutzen… Stopp, wie klären ihn auf, dass es in Corabia keine
Fähre gibt. Langes Schweigen und ins-Nichts-starren folgt. Die einzige
Möglichkeit die wir haben und die wirklich sicher funktioniert, ist die Fähre
von Bechet. Und in Bechet waren wir ungefähr gestern um dieselbe Zeit gewesen.
Was für ein Griff ins Klo.
Naja es hilft
ja alles nichts. Wir bedanken uns bei dem Mann für die Mithilfe bei der
Erörterung unserer Situation und brechen wieder auf. Er fragt uns noch, ob wir uns nicht wundern,
wie gut er Englisch spricht. Er habe alles durch Hollywoodfilme gelernt, weil
er sie nur in Originalsprache hört. Und darauf ist er stolz. Zu Recht. Englisch
kann in Rumänien nämlich fast niemand.
Ochnee …
Zurück… Den ganzen Weg noch einmal zurück und auch noch mit Gegenwind. Konrad
merkt von meinem moralischen Durchhänger und übernimmt das Heft des Handelns.
Wie ein Stier stellt er sich dem Wind und der Herausforderung und führt uns die
85 Kilometer zurück nach Bechet. Neues sehen wir freilich nicht. In Corabia
steht der Weintraubenmann am Zaun und schaut uns entsetzt an, wir müssen
loslachen. Was der wohl denkt, ob wir jetzt immer kreuz und quer durch die
Walachei fahren. Hoffentlich dachte er nicht, dass wir ihn auslachen. Wir
fahren durch all die Dörfer, die wir schon kennen, die Kinder jubeln uns wieder
zu, doch ich empfinde es als Hohn.
Immer wieder
machen wir Pausen, einmal auch exakt an derselben Stelle, an dem selben
versiegten Brunnen, wie Tags zu vor. Die Sonne knallt erbarmungslos auf uns
herab, nur hin und wieder bieten Bäume Schatten. Riesige Vogelschwärme fliegen,
wie wir, gen Süden. Kein Fluss kann sie aufhalten.
Immer wieder
überholen wir Pferdefuhrwerke, die den Verkehr auf der Straße dominieren. Autos
sind eine Seltenheit. Als Radfahrer ist man ein kleines Stück schneller und so
kann man beim Vorbeifahren ein Blick auf ihre Ladung werfen. Manchmal ist es
die Ernte, die ins Dorf gefahren wird. Manchmal sind es ganze Familien. Hin und
wieder sind auch Zigeuner dabei, die ihrem Nomadenleben nachgehen. Immer
springt auch ein Hund irgendwo herum. Alles ist aber ganz friedlich. Bei einer
Pause, fragt uns ein Mann mit Eselfuhrwerk, wo wir herkommen. Aus Amerika?
Nein, aus Deutschland. Er liebt Deutschland sagt er. Wie lieben sein Land rufen
wir zurück. Er ist begeistert und meint, dass er sein Land auch überalles liebe.
Er ist so glücklich. Er ist so zufrieden. Er sitzt auf seinem Eselkarren und
strahlt über das ganze Gesicht, als er in die ewige Weite seiner Heimat schaut.
Nach fünf
Stunden etwa erreichen wir Bechet. Man erinnere sich an den Mann der uns
gestern Morgen diesen Grenzübergang dringend empfohlen hatte. 170 Kilometer
Umweg später sehen wir die Sache ziemlich genauso wie er. Schwamm drüber, wir
sind an einer Fähre nach Bulgarien.
Wir versuchen
noch so viel rumänisches Geld wie möglich auszugeben und essen noch das eine
oder andere Eis und trinken noch die ein oder andere Cola. Aber es muss auch
noch genügend Geld für die Fähre bleiben. An der Grenzstation nimmt man uns für
ein MaxiBon-Eis, welches in der Mensa der Technischen Universität Dresden 1,20
€ kostet, umgerechnet 5€ ab. Hier wurden wir zum ersten Mal, nach dem Hotel von
Vukovar, wieder übers Ohr gehauen und zahlen einen anderen Preis als die
Einheimischen. Doch das Eis ist schon geöffnet, als uns der Betrug klar wird.
Die Fähre
selbst war dann spottbillig - wir hatten noch viel zu viel rumänisches Geld
übrig - bot aber auch keinerlei Komfort. Wir mussten noch eine Stunde am Ufer
warten und konnten dann unsere Fahrräder zwischen den vielen Transit-LKWs
abstellen. Der Stahlkahn fährt eine kleine Ewigkeit über die Donau, wir sind bestimmt
eine halbe Stunde unterwegs. Der Fluss ist so enorm breit und die Strömung
zieht das Boot ganz schnell weg, dagegen anzukämpfen braucht dann eben seine Zeit.
Am anderen Ufer können wir schon eine etwa 200 Meter hohe Bergwelle sehen, die
wir nach unserer Ankunft hoch müssen. Das dauert allerdings nochmal eine Weile,
da wir erst noch nach Bulgarien einreisen und an der Grenzstation vorbei müssen. Photographieren ist wieder streng verboten,
aus einem Grenzfoto wird nichts. All die Truckerfahrer drängen auf den einen
Grenzbeamten ein, er möge sie doch einreisen lassen. Da wir keine nennenswerte
Ladung haben, geht es bei uns dann – als wir endlich dran waren – ganz schnell.
weiter ging's in Bulgarien
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